Magazin

Kengo Kuma – der japanische Visionär

Coeda House Atami, Shizuoka, Japan, 2017 Copyright: © Masaki Hamada (Kawasumi Kobayashi Kenji Photograph Office)

Heute – am 23.07.2021 für die dieses zeitautonom lesen – werden die Olympischen Spiele in Tokio eröffnet. Nach einen der letzten Artikel „Zeitgenössische japanische Architektur im Überblick“ habe ich mir gedacht, dass heute der perfekte Zeitpunkt ist euch ein Buch über den japanischen Visionär in der Architektur vorzustellen. Das Buch selber ist absolut neu und wird erst in ein paar Tagen ausgeliefert. Es geht um niemand anderen also um Kengo Kuma.

The Exchange Sydney, Australia, 2019. Copyright: © Martin Mischkulnig
The Exchange Sydney, Australia, 2019. Copyright: © Martin Mischkulnig

Der komplette Kengo Kuma – 1988 bis heute

Nach Tadao Ando, Toyo Ito und Fumihiko Maki hat Kengo Kuma der japanischen Architektur neue Kraft und Leichtigkeit verliehen. In Abkehr vom modernistischen
Wolkenkratzer des 20. Jahrhunderts reiste Kuma quer durch seine Heimat Japan, um einen wirklich nachhaltigen Ansatz zu entwickeln und lokale Handwerkskunst sowie Ressourcen in ortsspezifische und zeitgemäße Gebäude zu übersetzen. Sowohl im Bewusstsein der Tradition, als auch mit beiden Füßen fest in der Gegenwart verankert, verkündet der „Materialist” eine neue taktile Architektur, die sich durch ansprechende Oberflächen, innovative Strukturen sowie fluide Formen auszeichnet und den Menschen wieder mit der Körperlichkeit eines Hauses verbindet.

Architekt

Kengo Kuma

Kengo Kuma (geboren 1954 in Yokohama) besuchte die Universität von Tokio und gründete 1979 nach weiteren Studien an der New Yorker Columbia University das Spatial Design Studio. Im Jahr 1987 gründete er Kengo Kuma & Associates. Er ist in Tokio und Paris ansässig. Während er an der Graduate School of Architecture der Universität Tokio lehrt, betreibt er auch sein eigenes Labor, Kuma Lab.

V&A Dundee Dundee, Scotland, UK, 2010–18 Copyright: © Hufton + Crow
V&A Dundee Dundee, Scotland, UK, 2010–18 Copyright: © Hufton + Crow

Mein Leben erstreckt sich über zwei sehr unterschiedliche historische Zeiträume, und wenn ich Architektur entworfen habe, dann immer in dem Bemühen, dem Wesen dieser Zeiten auf den Grund zu gehen. Unsere Bedürfnisse unterscheiden sich von denen der unmittelbaren Vergangenheit. Ich meine das 20. und 21. Jahrhundert, das industrielle und das postindustrielle Zeitalter. Die USA galten als die erfolgreichste Industrienation weltweit. Japan nahm sich das Land zum Vorbild, entwickelte ein rasantes Wirtschaftswachstum und das zweitgrößte Bruttoinlandsprodukt der Welt. Die Olympischen Spiele, die 1964 in Tokio stattfanden, stehen symbolisch für jene Zeit.

kengo Kuma – im Vorwort „kengo Kuma – Complete Works 1988–Today“
GC Prostho Museum Research Center, Kasugai, Aichi, Japan, 2008–10 Copyright: © Daici Ano
GC Prostho Museum Research Center, Kasugai, Aichi, Japan, 2008–10 Copyright: © Daici Ano

So ist es nur logisch, dass heute zu den Olympischen Spielen 2020 (welche natürlich erst dieses Jahr in 2021 stattfinden) das Werk des Meisters der japanischen Architektur veröffentlicht wird. Kengo Kuma führt so auch weitere aus:

1964 war ich zehn Jahre alt, ich ging in die vierte Klasse. Mein Vater besichtigte mit mir Kenzo Tanges Nationale Sporthalle Yoyogi. Ich war begeistert. Damals gab es in Tokio vor allem ein- und zweistöckige Holzhäuser. Kenzo Tange hatte inmitten der flach bebauten Stadt zwei Betontürme errichtet und das Dach der Halle an Stahlseilen zwischen diesen Türmen aufgehängt. [ … ] Als ich mein Architekturstudium aufnahm, hatte sich Japan von Grund auf verändert. Man diskutierte Fragen des Umweltschutzes. Man erachtete große öffentliche Bauprojekte nicht nur als eine Verschwendung von Steuergeldern, sondern auch als Ursache für Umweltschäden. Kenzo Tange war nicht länger mein Held, ich hielt ihn jetzt für einen alten, aus der Zeit gefallenen Mann.

kengo Kuma – im Vorwort „kengo Kuma – Complete Works 1988–Today“

Auf der Suche nach Alternativen für die Baumaterialien Stahl und Beton hat sich Kengo dann auf die Reise durch seine Heimat und die Welt gemacht und einen neuen (alten) Ansatz gefunden. Sein primärer Anspruch ist, wie Kuma betont, „der Respekt vor der Kultur und dem Umfeld des Ortes, an dem ich arbeite”. In diesem Sinne gestaltete Kuma das China Academy of Arts’ Folk Art Museum mit licht- und luftdurchlässigen Wänden aus entsorgten Dachziegeln, schuf in der japanischen Provinz Nagano eine Kapelle aus Birkenstämmen und Moos und arbeitete mit ortsansässigen Handwerkern zusammen, um das V&A Dundee als gewundene, geschichtete Reminiszenz an die rauen schottischen Felsklippen zu formen. Mit seiner außergewöhnlichen Sensibilität für Raum, Licht und Textur gewinnt Kuma dem Material unerwartete Qualitäten ab – die Schwerelosigkeit von Stein im Chokkura Plaza oder die Weichheit von Aluminium im Reetdach des Yangcheng Lake Tourist Transportation Center.

Seine Idee von nachhaltiger Architektur brachte Kuma kürzlich in ein Projekt von beispielloser Größe und Bedeutung ein: Japans Nationalstadion für die Olympischen Sommerspiele, ursprünglich für 2020 geplant. Laut Kuma könne das Stadion „der Katalysator sein, der die jetzige Betonstadt Tokio wieder zurückverwandelt. Mit diesem Beispiel möchte ich dazu beitragen, die Richtung der japanischen Architektur zu ändern.” Und genau hier schließt sich der Kreis von der ersten Begeisterung für Architektur 1964 über eine Spanne von rund 57 Jahren bis zu einem (vorläufig) komplett dokumentierten Werk 2021.

Folk Art Museum China Academy of Art, Hangzhou, China, 2009–15 Copyright: © Eiichi Kano
Folk Art Museum China Academy of Art, Hangzhou, China, 2009–15 Copyright: © Eiichi Kano


In dieser XXL-Monographie mit rund 500 Fotos, Skizzen und Plänen führt uns Kuma durch seine gesamte Karriere, zeigt seine bisherigen bahnbrechenden Projekte sowie aktuell laufende Vorhaben. Ebenfalls erhältlich in einer auf 200 Exemplare limitierten Art Edition, mit einer von Kengo Kuma signierten Heliogravure einer Originalzeichnung; geliefert in einem hölzernen Schuber, von Kuma entworfen und in Japan gefertigt.

Kuma. Complete Works 1988–Today

Kengo Kuma, Philip Jodidio
Hardcover, 30,8 x 39 cm, 4,97 kg, 460 Seiten
€ 150 | CHF 200
ISBN 978-3-8365-7512-6 (Deutsch, Englisch, Französisch)

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