Frage 1: Herr Mahlstedt steigen wir direkt ein. Was war das letzte Foto,dass Sie gemacht haben?
_om: Die Dokumentation einer ehemaligen Fabrikantenvilla (siehe Bild: Hanomag – Hannover), die saniert werden soll. Obwohl der Verfall deutlich sichtbar ist, ergeben sich zarte Töne und Lichtspiele, die eine stimmungsvolle Atmosphäre schaffen.
Frage 2: Wie sind Sie zur Fotografie und speziell zur Architekturfotografie gekommen?
_om: Meine photographische Ausbildung habe ich an der Fachschule Münster – FB Architektur absolviert und dabei die wichtigen Grundlagen der Schwarzweißverarbeitung mit Barytpapier und Spezialentwicklungen, sowie die kompositorische Lichtsetzung bei Architekturmodellen schätzen gelernt. Der intensive Austausch mit Studenten und Professoren bei unterschiedlichsten Objekten prägte meine Bildsprache.
Frage 3: Welches Gebäude möchten Sie auf jeden Fall noch ablichten?
_om: Ich arbeite häufig in seriellen Arbeiten und vertiefe mich in Baustilepochen, wobei mir die Nachkriegsmoderne augenblicklich die größte Motivauswahl bietet. In diesem Zusammenhang hätte ich gerne den Palast der Republik aufgenommen, nunmehr versuche ich Objekte vor Ihrer Umnutzung oder dem Abriss für die Nachwelt zu dokumentieren.
Frage 4: Gibt es einen Kundenkreis bei den Architekten, der noch nicht erschlossen ist? Und wenn ja, warum ist das Ihrer Meinung nach so?
_om: Die Bauten der öffentlichen Bauträger und Kommunen sind nicht im Fokus des Allgemeininteresses, aber dennoch mit interessanten Aspekten geplant. Hier entsteht der Bedarf auch diese Bauten der Allgemeinheit näher zu bringen und die Arbeit der öffentlichen Träger transparenter zu machen.
Frage 5: Wie sieht Ihre typische Ausrüstung aus?
_om: Von Kleinbild bis Großformat, von analog bis digital, von Lochkamera bis Panoramaformat und Polaroid kommen alle bildgebenden Aufnahmetechniken zum Einsatz. Selbst mit einem Polaroid können sehr emotionale Motive eingefangen werden. Gerade diese außergewöhnlichen Aufnahmen sind es, die den Kunden überzeugen etwas Neues zu wagen, und ein individuelles Ergebnis zu erhalten.
Frage 6: Analog oder Digital?
_om: Da ich aus der klassischen Photographie komme, arbeite ich bei Bedarf noch gerne analog. Hier entsteht bei der Arbeit eine Verlangsamung mit intensiverer Auseinandersetzung des Gesehenen. Auch unter archivarischen Aspekten ist die analoge Aufnahme leichter zu handhaben und zukunftsorientierter einzusetzen, da sie immer wieder neu gescannt oder vergrößert werden kann. Die digitale Aufnahme hingegen kann kurzfristiger eingesetzt werden und bietet schnelleren Austausch. Die Kunden erwarten professionelle Ergebnisse, die individuell sein können und alle Facetten der Photographie ermöglichen.
Frage 7: Architektur und Musik werden Parallelen nachgesagt. Hören Sie beim fotografieren oder Nachbearbeiten Musik und wenn ja welche?
_om: Musik ist ein Feld in dem man sich verlieren kann. Genauso geht es mir in der Photographie. Wenn man sich bei der Komposition der Aufnahme in dem Bild vertieft, entsteht das Besondere und die Umgebung wird nicht mehr wahrgenommen. Ich trenne daher die beiden Genres und genieße sie für sich allein.
Frage 8: Wie stark bearbeiten Sie Ihre Fotos nach?
_om: Jede Entwicklung eines Motives, sei es analog oder digital ist im Grunde eine Nachbearbeitung. Ich bezeichne diese Entwicklung aber als technische Voraussetzung zur Erzielung meiner Motivvorstellung. Eine anschließende digitale Nachbearbeitung kommt für mich nicht in Frage. Ich gestalte das Motiv im Voraus und die Aufnahme soll wie zum Zeitpunkt der Aufnahme vermittelt werden. Ausnahmen bilden hier kompositorische Motive, die in freien Serien münden, wie z.B. die Serie RWSG, des Speichers in Duisburg, der umgenutzt wird. (vgl. Bild: RWSG Speicher Duisburg)
Die nachfolgenden Fragen beziehen sich hauptsächlich auf das Bild Stadionbad Hannover 60er Jahre Bau.
Frage 9: Ist das Bild als Auftragsarbeit oder im Rahmen eines freien Projektes entstanden?
_om: Das Bild ist im Rahmen einer Dokumentation über Bauten der 60/70er Jahre im Auftrag der Architektenkammer Niedersachsen entstanden. Es wird zur Zeit präsentiert in der Wanderausstellung zum Thema : Architektur in Niedersachsen zwischen Nierentisch und Postmoderne.
Frage 10: Können Sie uns Ausrüstung und Einstellungen bei diesem Bild benennen?
_om: Diese Aufnahme ist mit der Nikon D700 und dem 24mm Shiftobjektiv entstanden. Da es sich um eine umfassende Serie handelt gibt es Varianten des Motives sowie Innenaufnahmen.
Frage 11: War das Bild von Anfang an Schwarz/Weiß konzipiert oder ist die Entscheidung erst später gefallen?
_om: Die Dokumentationsserie (s.o.) ist farblich vorgeplant. Dennoch habe ich mir spontan einige Motive gleich in schwarzweiß vorgestellt. Zumal bei diesem Motiv der Himmel für eine Schwarzweißaufnahme prädestiniert war. Normalerweise mache ich Schwarzweißaufnahmen in analoger Form auf 4×5“ (T-Max), jedoch hatte ich hier aufgrund der Rahmenbedingungen dieser Aufnahmeserie keine analoge Ausrüstung vorgesehen.
Frage 12: Welche Vorbereitungen waren für das Bild nötig?
_om: Da die Dokumentationsserie im November beauftragt worden war, ergab sich für über 60 Objekte ein relativ kurzer Zeitrahmen der Realisierung. Zunächst wurden zeitgleich Genehmigungen eingeholt, um dann wetterabhängig kurzfristig Aufnahmetermine abzustimmen. In einer Vorrecherche hatte ich den Tageszeitpunkt für diese Aufnahme bereits festgelegt. Aufgrund des niedrigen Sonnenstandes musste ein Standpunkt gefunden werden, der eigene Schatten ausschließt. Ferner war der Sonnenstand wichtig, um keine zu hohen Kontraste zu bekommen und eine Modellierung der Gebäudeform zu erhalten.
Frage 13: Können Sie noch ein paar Worte zu dem Bauwerk sagen?
_om: Das Stadionbad wurde 1972 im Olympiajahr von dem österreichischen Architekten Prof. Friedrich Florian Grünberger erbaut, im Auftrage und unter Bauleitung der Stadt Hannover. Sein muschelartiges Kupferdach bedacht ein Wettkampfbecken mit Sprungturm. An der Unterwasser-Glaswand am Sprungbecken kann man die Springer beim eintauchen beobachten. Das Stadionbad ist die zentrale Wettkampfstätte Hannovers und zudem als Olympiastützpunkt geplant gewesen.
Frage 14: Welches Gebäude würden Sie gerne auf Ewig erhalten und somit vor dem Verfall retten (und das nicht nur als Abbild)?
_om: Es sind Gebäude der Industriearchitektur mit ihren Ziegelbauwänden, die meiner Ansicht nach alle erhaltenswert sind. Leider fehlen für derartige große Objekte meist Investoren oder Gesamtkonzepte.
Bei dem akutellen Projekt der Umnutzung des Hanomaggeländes sind zum Glück große Teile erhalten geblieben und können somit Zeugnis einer Ära liefern. Ein Gebäude, welches ich gerne vor dem Verfall erhalten möchte, ist der U-Boot Bunker Valentin in Bremen. Er hat sich zum Glück schon Versuchen einer Zerstörung wiedersetzt und steht somit aller Voraussicht nach als ewiger Zeitzeuge und Mahnmal bereit. Doch nicht nur die Bunker dieser Welt sind vielfältig in ihrer Art und gespenstische Zeugen einer hoffentlich vergangenen Zeit, auch die kleinen Objekte, wie Kioske und kleine Handwerksbetriebe mit ihren ganz eigenen, nutzungsorientierten Architekturen sind es, die unser Umfeld reizvoll machen und eine stereotype Architektur verhindern.
Olaf Mahlstedt
Gravensteiner Allee 9
30559 Hannover
info@olafmahlstedt.de
www.olafmahlstedt.de