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Eine Region zwischen Architektur, Wasser und Geschichte – das Lahntal

RPT Fotoshooting 2011 Lahnwanderweg

Es war endlich so weit: mein erster Ausflug nach Rheinland-Pfalz im Rahmen des GenussDuells. Wer sich jetzt fragt, was das GenussDuell, welches dieses Jahr zum wiederholten Mal veranstaltet wird, ist, der hat diesen kleinen Artikel für Hobbyköche, Genießer und Architekturinteressierte verpasst. Einfach kurz nachholen, es lohnt sich. Rheinland-Pfalz ruft also und es ging ins Lahntal – genauer gesagt nach Bad Ems.

Wo enge Täler und weite Landschaften um die Ecke liegen

Am Samstagmorgen ging es los. Die Fahrt über die Autobahn ist sicherlich kein Highlight einer Reise zu Kultur und Architektur. Wenn man aber in Montabaur die Autobahn verlässt und der Landstraßen weiter Richtung Lahn folgt, dann empfängt einem eine Vorfreude auf schöne Gegenden. Eine hügelige und kurvige Landschaft bietet entlang der Straße immer wieder Ausblicke über Felder und Einblicke in kleine Dörfer. Hat man den Limes erstmal überquert und Arzbach durchfahren, nimmt man immer mehr wahr, dass die Straße im Gefälle einem Tal entgegenstrebt. Hier und da kann man erste Aussichten über das Lahntal erhaschen. Im alten Bad Ems angekommen, ändert sich das Bild massiv. Die Weite der Hügel und die Aussicht über das Tal weicht einem eng begrenzten Raum im Tal, in welchem sich Bad Ems – wie auch andere Städte und Dörfer im Lahntal – aufgereiht ansiedelt.

Bad Ems
Bad Ems

Geführte Gesichte

Bad Ems ist reich an Geschichte und Geschichten. Ich habe mich für einen historischen Standrundgang  entschieden um einen kundigen Einblick in die Stadt zu erhalten.

Die Stadtführung welche, nicht nur laut Ankündigung „beeindruckende Architektur, spannende Geschichte und jede Menge ‚Promis‘ von Anno dazumal“ beinhaltet, findet immer samstags und dienstags (gilt zunächst bis Oktober 2018) um 14 Uhr statt. Mit 4 Euro pro Person eigentlich zu preiswert.

Aufstieg ohne richtigen Fall – Bad Ems

Bad Ems geht auf das Kastell Ems der Römerzeit zurück. Hier querte der Limes die Lahn. Im Mittelalter taucht das Dorf wieder in den Büchern auf und wird im Jahr 880 erstmalig urkundlich erwähnt. 1324 erteilt König Ludwig der Bayer sogar die Stadtrechte an Ems.

Schon aus dem 14. Jahrhundert gibt es dann Aufzeichnungen, das Thermalquellen genutzt wurden. Ob die Römer diese schon genutzt haben, ist jedoch eher unwahrscheinlich, auch wenn der Name „Römerquelle“ einer Quelle beim Kurhaus (heute Häckers Grand Hotel) das nahelegen will. Aber wer nutzt schon Heil- und Erholungsorte direkt an der Grenze (Limes).

Römerquelle (c) Dominik Ketz
Römerquelle (c) Dominik Ketz

Seit 1474 wurde der Badebetrieb ausgebaut. Und so kam es, dass im 17./18. Jahrhundert Ems als einer der berühmtestes Badeorte Deutschlands galt.

Ems stand damals unter der Herrschaft von Oranien-Nassau und Hessen-Darmstadt. Aus dieser Zeit stammen viele wichtige Bauwerke, die glücklicherweise die Kriege überstanden haben. Allen voran das von 1709 bis um 1725 gebaute Fürstlich Oranien-Nassauische Badehaus, mit der wohl ältesten Brunnenhalle Deutschlands (heute im Häcker’s Grand Hotel).

Seine absolute Hochzeit erlebte der Ort im 19. Jahrhundert als „Weltbad“ und Sommerresidenz zahlreicher europäischer Monarchen und Künstler. Die Liste wäre sehr lang, aber Kaiser Wilhelm I., die Zaren Nikolaus I. und Alexander II. von Russland, Richard Wagner, Wassili Wereschtschagin und Fjodor Michailowitsch Dostojewski muss man hier erwähnen.

Alexander II - Kaiser von Russland 1818-1881 im Kurpark Bad Ems
Alexander II – Kaiser von Russland 1818-1881 im Kurpark Bad Ems

Große Politik – Emser Depesche

Gedenkstein Emser Depesche
Gedenkstein Emser Depesche

Wo ich gerade Kaiser Wilhelm erwähne: Bad Ems ist der Ort, an dem Wilhelm mit dem französischen Botschafter Vincent Benedetti zusammentraf, um einen Verzicht der Hohenzollern auf die Führung des Deutschen Reiches zu besprechen. Wilhelm lehnte höflich ab. Der deutsche Diplomat Heinrich Abeken informierte mit der Emser Depesche den Bundeskanzler Otto von Bismarck und der informierte die Presse. Insgesamt einer der Gründe für den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.

Genau diesen Ort, an dem eines der Treffen stattgefunden hat, kann man heute im Kurpark betreten und Geschichte hautnah erleben.

Kurhaus – den Kaiser arbeiten sehen

Auch vorher schon erwähnt, habe ich das heutige Häcker’s Gand Hotel, welches lange Zeit das eigentliche Kurhaus darstelle. Einen Besuch ist es Wert. Die Bedeutung des Bades Ems (ab 1913 durfte Ems den Zusatz Bad tragen) kann man an einer netten Anekdote erkennen. Das Kurhaus war bei den Menschen sehr beliebt. Hier konnte man beim Kaffee sitzen und den Kaiser in seinen Arbeitsräumen beim Regieren zuschauen. Demokratie live! Naja ok, Monarchie live natürlich. Aber das ist etwas was heute undenkbar war. Bad Ems war ein von Wilhelm I. bevorzugter Rückzugsort. Ich bin mir nicht ganz sicher ob es stimmt, aber unsere Stadtführerin hat erzählt, dass die Statue von Wilhelm Ihn als einzige in Deutschland ohne Uniform in Privatkleidung zeigt.

Kaiser Wilhelm - ganz privat im Kurpark Bad Ems
Kaiser Wilhelm – ganz privat im Kurpark Bad Ems

Marmorsaal

An dem Marmorsaal sollte man aber auch nicht vorbei gehen. Die Besichtigung innerhalb einer Führung ist problemlos. Einzeln kommt man schwierig rein.

Der Marmorsaal ist ein beeindruckender Raum, in dem heute wie früher Feste gefeiert werden. Der Raum mit Empore wird von wunderschönen Marmorsäulen gehalten. In der Mitte hängt ein beeindruckender Kronleuchter und vollendet das Bild.

Der Marmorsaal
Der Marmorsaal

Russisch-orthodoxe Kirche

Eine letzte Station möchte ich noch von den vielen Sehenswürdigkeiten herauspicken. Bad Ems hat neben einer katholischen und evangelischen Kirchengemeinde auch eine russisch-orthodoxe Kirche. Die Entstehung der Kirche und Kirchengemeinde geht noch auf die Zeit der Besuche der Zaren im Bad Ems zurück. Der Bau zeigt schön die typische Form einer orthodoxen Kirche als Kreuzkirche mit vier Türmen (4 als Zahl des Weltlichen – 4 Elemente, 4 Himmelsrichtungen, etc.) und einer Kuppel als Zeichen des Göttlichen.

russisch-orthodoxe Kirche in Bad Ems
russisch-orthodoxe Kirche in Bad Ems

Die Kirche kann gegen einen Beitrag zu Erhaltung von 1 Euro besichtigt werden. Die russischen Heiligenbilder sind mir jedoch fremd gewesen und ich musste mir dieser erklären lassen.

Kurpark, Bad und Quellen.

Wenn man Bad Ems sich erlaufen hat oder mit dem Rad hier auf einer der vielen Routen angekommen ist, dann rufen natürlich auch die Quellen und Thermen. Mehr Erholung kann man nicht finden. In der Emser Therme, beispielsweise, erlebt man auf über 6.000 m² ThermenLandschaft, SaunaPark, WellnessGalerie, FitnessPanorama und im Restaurant Halberts Entspannung auf höchstem Niveau.

Die FlussSauna der Emser Therme - (c) Dominik Ketz
Die FlussSauna der Emser Therme – (c) Dominik Ketz

Baukeramik

Noch ein anderer Aspekt hat mich an Bad Ems interessiert, auch wenn mein Interesse an einem einzelnen Punkte (Hundertwasser) aufgehangen war und sich so viel mehr als gedacht offenbarte. Verwirrt? Keine Angst ich kläre das jetzt auf:

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hundertwasserhaus_Bad_Soden_Autumn.jpg
Auch in der Umgebung und einen Blick wert: Hundertwasserhaus Bad Soden im Herbst (c) Wolfgang Maennel https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hundertwasserhaus_Bad_Soden_Autumn.jpg

Man sagte mir: „Mensch du fährst nach Bad Ems? Da kommt doch die Keramik her, die bei den Hundertwasser-Häusern verbaut ist!“. Mein Interesse war geweckt. Hundertwasser ist sicherlich ein Künstler über den es nur zwei Meinungen gibt: man findet ihn genial oder kann nichts damit anfangen. Nach ein paar Telefonaten hatte ich also die Gelegenheit die Ebinger-Schnaß-Keramik zu besuchen. Leider fand der Besuch auch an einem Samstag statt und somit lag die Produktion still da.

Ich wurde von Frau Ebinger-Schnaß aber gerne herumgeführt und mir wurde auf alle Fragen eine Antwort gegeben. Und um es direkt vorweg zu nehmen: Hier gibt es natürlich keine Hundertwasserkeramik sondern nur Keramik, die einmalig ist und zufällig auch von Hundertwasser bei seinen Gebäuden eingesetzt wurde.

Historie

Die Werkstatt wurde 1960 von Ebinger von Lies und Heinz Ebinger, den Eltern von Frau Ebinger-Schnaß, gegründet. Gegründet wurde die Firma, da Heinz Ebinger von der Farbigkeit und Haltbarkeit persischer Baukeramik in seinem Archäologiestudium fasziniert war. Die Firma wurde seitdem in Bad Ems aufgebaut und war ein Anlaufpunkt für handgefertigte Baukeramik unter anderem in Form von Wand- und Bodenplatten.

Innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt war man weltweit die einzige Firma, die das gesamte Spektrum der Baukeramik abdecken konnte. Wir sprechen damals, wie heute von Wand- und Bodengestaltungen für den privaten, öffentlichen und sakralen Raum, Handform-Boden- und Wandfliesen, Denkmalpflege und Rekonstruktion von historischen Keramiken, Kachelöfen und Kaminöfen, Mosaiken, Säulen und Brunnen und vielem mehr.

Werke von Ebinger-Schnass

1983 kam Hundertwasser zu der Werkstatt, um das erste Hundertwasserhaus in Wien zu realisieren. Die folgende enge Zusammenarbeit mit Friedensreich Hundertwasser und nach dessen Tod im Jahr 2000 mit dessen Management und Nachfolger Joram Harel dauert weiter an. Neben diesen Aufträgen entwickelten sich weitere Zusammenarbeiten mit Künstlern, wie z.B. Arik Brauer, Moriz Götze, Wolfgang Thiel, Georg Meistermann, Hermine Antoine, Gottfried Kumpf und zahlreiche mehr. Sie lassen ihre Entwürfe in der Werkstatt umsetzen oder arbeiten in den Räumen selbst.

Diese Entwicklung wird heute bewusst durch eine enge Verbindung zum „Künstlerhaus – Schloss Balmoral“, in dem Stipendiaten der rheinland-pfälzischen Stiftung für Bildende Kunst leben und arbeiten, gefördert.

Diese Arbeit wird heute von Katharina Ebinger-Schnaß weitergeführt und über die Höhen und Tiefen der Bauwirtschaft und Finanzkrisen gebracht. Die Chance, ein Produkt aus Bad Ems berührt zu haben, ist groß. Wer in Bad Ems ist, sollte sich den Boden an der Bushaltestelle vor dem Bahnhof ansehen. Viele Kirchen, Thermen, aber auch einige Aida-Schiffe sind mit Keramik aus Bad Ems verschönert wurden. Die Möglichkeiten sind nahezu unendlich, ein Problem, wie Frau Ebinger-Schnaß, mir sagte. Die Auswahl ist schlicht oft zu groß.

Keramik Ebinger-Schnaß auf der AIDA sol
Keramik Ebinger-Schnaß auf der AIDA sol (c) Ebinger-Schnaß

Dabei findet man hier für Haus, Hof und Garten immer die passende Keramik. Beeindruckt hat mich der Besuch auf jeden Fall, aufgrund der Vielfalt, der noch heute so exakten Handarbeit, der Einfachheit der Zutaten und der Liebe zum Detail.

Jeder Tag geht zu Ende

Am Abend war es dann leider Zeit und ich habe Bad Ems mit vielen Eindrücken verlassen. Entlang der Bäderstraße und der Lahn folgend, ging es weiter auf meiner Reise zwischen Genuss und Architektur durch Rheinland-Pfalz. Das Ziel am Horizont sollte beim nächsten Mal Mainz sein. Dazu aber dann ein anderes Mal mehr. Viele kleine Geschichten über steile Seilbahnen (78%), Salz aus Ems und Wassertürmen hätte man noch erzählen können, wenn man dann aber in Richtung Westen, gegen Sonnenuntergang fährt und das Lahntal hinter Sicht läßt, ist man sich eh sicher, dass man wiederkommen wird. Weil es so vielfällig ist, Geschichte lebt und Erholung pur bietet.

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