Vorgestellt

verdreht schön

Bibliothek in Schwenningen

Bibliothek in Schwenningen
Bibliothek in Schwenningen

Projekt: Kunst am Bau für den Neubau Institutsgebäude und Bibliothek der Hochschule Furtwangen in Villingen-Schwenningen
Bauherr: Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Konstanz
Architekten: Arge Schädler & Zwerger Architekten GmbH, Leinfelden-Echterdingen und Glück + Partner GmbH Freie Architekten BDA, Stuttgart
Rohbau: Christian Stotz & Sohn GmbH & Co. KG, Bauunternehmen, Balingen
Kreisausschnitt: Betontrenn GmbH, Ludwigsburg
Fertigstellung: 2011
BRI: 9300 m3
Fotonachweis: Wolfram Janzer / BetonBild

So einfach kann Kunst am Bau sein und so einfach.
Unverhofft hat der Künstler Martin Bruno Schmid mit der Arbeit Tondo eine ganze Sichtbetonwand im Foyer eines neuen Instituts- und Bibliotheksgebäudes in Schwenningen zum Schwingen gebracht. Mit seiner im Uhrzeigersinn vorgerückten Kreisscheibe trägt die massive, zeitlos schöne Wandfläche ein konspiratives Element künstlerischer Freiheit in sich.

Oft will Kunst gefallen, kann bestenfalls frappieren. Wenn Kunst jedoch aufregt, trifft sie meist mitten ins Herz. Von „Tondo“, einer Arbeit des Stuttgarter Künstlers Martin Bruno Schmid kann das Auge kaum lassen. Teils fassungslos und gleichermaßen beeindruckt, macht sich auch innerer Widerstand breit, denn das, was Martin Bruno Schmid dem Betrachter zumutet, irritiert: Wie mit dem Zirkel hat der Künstler ausgehend von einem ausgewählten Punkt auf der Sichtbetonfläche einen riesigen runden Kreis gezogen, diesen ausgeschnitten und die runde Betonscheibe samt ihrer rechtwinkligen Fugenverläufe im Uhrzeigersinn um einige Grad nach vorne gedreht. So scheint etwas Unverrückbares aus dem Lot gebracht, das kippt und kitzelt an der Ordnung, die im Laufe der Zeit zur Sehgewohnheit geworden ist.

Auf dem Papier wäre es ein leichtes. Doch Sichtbetonwände, zumal tragende, sind massive Bauteile mit einer Menge an Stahlbewehrung im Innern. Die Betonage unterliegt strengen Regeln, die Anordnung der Schalung zeichnet sich markant an der glatten Betonoberfläche ab. Auch im Foyer des neuen Instituts und Bibliotheksgebäudes der Hochschule Furtwangen in Schwenningen hatten Schädler & Zwerger Architekten aus Leinfelden-Echterdingen ein klares, horizontal ausgerichtetes Fugenbild mit liegenden Schaltafeln geplant. Gut ausgeführte Oberflächen nach Sichtbetonklasse 3 erfordern bereits ein Maximum an Absprachen zwischen den beteiligten Architekten, Bauausführenden und Betonherstellern. Im neuen Institutsgebäude flankiert diese Wand als tragende Scheibe das doppelgeschossige Foyer.

Hier, an zentraler Stelle markierte der Künstler seinen Mittelpunkt und ließ die vier Tonnen schwere Wandscheibe mit zweieinhalb Metern Durchmesser mittels Zirkelseilsäge komplett durchtrennen. Millimeter um Millimeter fräste sich das Sägeseil der Betontrenn GmbH, einem auf den Schnitt massiver Bauteile spezialisierten Unternehmen, voran. Kontinuierlich wurde der Einschnitt von Stangen mit 12 Millimeter Durchmesser gestützt. So blieb die runde Platte mittig fixiert und konnte nach getaner Sägearbeit wie auf einem Kugellager um die geforderten zehn Grad weiter gedreht werden.

Die Qualität der Arbeit hat die Jury der baden-württembergischen Kunstkommission 2011 bei einem Wettbewerbsverfahren sofort erkannt und sie – vorbehaltlich ihrer Realisierbarkeit – ausgewählt. Oft fügt Kunst am Bau den Bauwerken mit Skulpturen, Farbkonzepten oder Bildern etwas zu, Mit Tondo wählte der Künstler einen anderen Ansatz. „Es handelt sich hier eher um Kunst im Bau“, meint Martin Bruno Schmid“, der sich bei seinen „Zeichnungen“ mit der Bohrung unterschiedlichster Trägermaterialien von Büttenpapier bis zu großformatigen Bauplatten auseinandersetzt. Beim neuen Institutsgebäude scheint ihn vor allem der Ort und die vorgefundene Bauweise inspiriert zu haben. So lässt sich die vorgerückte Betonscheibe mit ihren zweieinhalb Meter Durchmesser auch als Hommage an die Zeiten der Schwarzwälder Uhrenindustrie, namentlich der Uhrenfabrik Kienzle verstehen, auf deren ehemaligem Areal der Neubau ent standen ist.

3.863 mal gelesen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mit dem Absenden des Kommentars nimmst Du die Datenschutzerklärung ausdrücklich an. https://archimag.de/datenschutzerklaerung/