Entwurf: BOLLES+WILSON, Münster
Eröffnung: Oktober 2010
Standort: Helmond, Niederlande
Fotos: Christian Richters, Christoph Macholz ©BOLLES+WILSON
Perlen der Alltagsarchitektur müssen nicht immer nur Wohngebäude sein. Auch Bibliotheken, Warenhäuser, Krankenhäuser und viele andere Gebäude gehören zu unserem täglichen Leben und sollten viel mehr betrachtet werden. Hier jetzt ein Beispiel aus den Niederlanden.
Zwischen Bauhaus und Büchern
Wie die meisten niederländischen Städte ist auch Helmond damit beschäftigt, sich neu zu erfinden. Die neue Stadtbücherei, die offiziell im Oktober 2010 eröffnet wurde, ist der erste Bestandteil einer neuen und umfassenden innerstädtischen Einkaufszone (Masterplan: Prof. Joan Busquets).
Direkt neben der neuen Bücherei befinden sich die Baumhäuser und das Theater von Piet Blom aus den 1970er Jahren. Zu dieser Seite ist die Fassade der neuen Bücherei im Dialog mit ihren dramatischen Nachbarn geformt und abgeschrägt. Ein Zwischen-Raum, ein innen-liegender Café-Hof, eine komfortable und dramatische Erweiterung des bestehenden umschlossenen Theaterplatzes, ist das Resultat dieser räumlichen Symbiose.
Die äußere, zur Straße zeigende Fassade ist das repräsentative Gesicht und der einladende Eingang zur neuen Bücherei. Auskragungen in den oberen Etagen (Klammern, „Ohren“) mit dem großformatigen Schriftzug „Bibliotheek“, stellen die Endpunkte dar. Die horizontale Gliederung der Fassade unterscheidet die Läden im Erdgeschoss vom verglasten und zurückspringenden Zwischengeschoss (Kinderbücherei) und der Ziegeloberfläche des obersten Bürogeschosses.
Die vorsichtige Detaillierung und die Wahl der Materialien für die Außenflächen schaffen eine zurückhaltende Haptik, die sich dem historischen Stadtzentrum von Helmond anpasst. Raue dunkelbraune und ungewöhnlich horizontale Ziegel (Hilversum-Format 50 x 290 mm) in den Obergeschossen haben offene Stoßfugen und beige horizontale Lagerfugen, die die Schichtung des Mauerwerks betonen. Im Gegensatz dazu ist der Sockel mit beigen glatten Ziegeln verblendet (3 verschiedene Höhen – 50, 100 und 140 mm). Diese haben keine Mörtelfugen, sondern sind geklebt – daraus resultiert eine fast steinerne Solidität und Homogenität.
Das Innere der Bücherei wurde als eine sich entfaltende Folge von Räumen entwickelt. Ein Großteil des Erdgeschosses ist dem Einzelhandel vorbehalten. Der Zugang ist von zwei Seiten möglich – durch eine großzügige doppelthohe Eingangshalle zur Straßenseite und durch den intimeren Café- und Veranstaltungsbereich auf der Seite des Theaterplatzes.
Die obere Raumfolge wird durch eine große Treppe eingeleitet, die zur Ausstellungsfläche im ersten Obergeschoss, dem „Piano Nobile“ der Bücherei, führt. Hier sind Informationspunkte, Bücherregale und Kinder-/Teenager-Bereiche um einen zentralen Medien-Hotspot angeordnet: kreisrund, ein Sandwich in chinesisch-rot. Dieser Hotspot bietet das Neueste an digitalen Medien.
Der Weg nach oben endet im lichtdurchfluteten zweiten Obergeschoss, in dessen großes, auf die Baumhäuser blickendes Fenster eine Sitzbank und Arbeitsplätze integriert wurden.
Der Auftrag von BOLLES+WILSON beinhaltete ebenfalls Einrichtungs- und Beleuchtungselemente, die Choreographie von Atmosphäre und Charakter. Laternen im Foyer, ein Zeitungs-Lesetisch, eine gestreifte und gepolsterte Café-Sitzbank und die passende skandinavische Beleuchtung, Informationstresen und ein Gruppenarbeitsraum mit an der Wand befestigten Fragmenten eines Wandbildes aus den 1950er Jahren, gehören zur langen Liste der verwendeten Details. Die zugrunde liegende Philosophie beruht auf Multiplizität, einem benutzerfreundlichen Komfort, der von Bibliothekaren und lesenden Helmondern bereits sehr geschätzt wird.
Ziemlich schick!
Nur schade, dass wir so etwas in Deutschland viel zu wenig sehen. Stattdessen Büchereien wie die neue Landesbibliothek in Stuttgart.
Grüsse nach Münster – die haben wenigstens eine schöne Bibliothek. Und ein gutes Architekturbüro!