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Troggebundene Fassadenbegrünung in Wien

Grünes Wohnen/Grüne Architektur - begrünter Innenhof mit Pflanzen

Fassadenbegrünung bewirkt eine natürliche Kühlung der Städte. Speziell für die Begrünung bestehender Gebäude wurde im Forschungsprojekt „50 Grüne Häuser“ das modulare BeRTA-System entwickelt. Das Besondere dabei ist, dass die notwendigen Abstimmungs- und Bewilligungsprozesse für die straßenseitige Aufstellung im öffentlichen Raum durch das Prozessdesign maximal vereinfacht werden konnten.

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Klimaprognosen für Mitteleuropa zeigen, dass wir uns künftig auf noch heißere Sommer einstellen müssen. Durch die hohe Flächenversiegelung erhitzen sich manche Oberflächen tagsüber auf bis zu 50 °C, halten dann die Wärme und kühlen auch in der Nacht kaum ab, was als „Urban Heat Island (UHI-)Effect“ bezeichnet wird. Eine wirksame Methode zum Kühlen bestehender Quartiere und Straßenzüge sind straßenseitige Fassadenbegrünungen. Doch obwohl es großes Potenzial für Grünfassaden an bestehenden Gebäuden gibt, existierte bis zum Beginn des Projekts „50 Grüne Häuser“ im Jahr 2018 dafür weltweit noch keine kostengünstige, einfach umsetzbare Gesamtlösung.

Vorteile von Gebäudegrün

Fassadenbegrünungen sind wahre Multitalente, die nicht nur für sauberere Luft und ein positives Mikroklima sorgen. Sie halten die Gebäudeoberfläche und damit auch die Innenhöfe kühler – die gefühlte Temperatur ist bis zu 13 °C niedriger. Durch den reduzierten Kühlbedarf tragen sie dazu bei, den CO2-Ausstoß zu senken. Für Gebäude wirken Bauwerksbegrünungen wie Schutzschilder gegen Verwitterung und helfen, Sanierungs- und Wartungskosten zu senken. Zudem steigern Begrünungen nachweislich den Immobilienwert und erhöhen Lebensqualität und Gesundheit der Bewohner. Wichtig ist es, die Begrünung und die Kühlungseffekte dorthin zu bekommen, wo sie am meisten gebraucht werden: in den asphaltierten Straßenraum und in dicht bebaute Gebiete. Bisher kommen Fassadenbegrünungen vor allem im Neubau zum Einsatz. Der Bestand stellt zwar den Gebäudesektor mit dem größten Umsetzungspotenzial dar – doch ein „Nachrüsten“ mit Fassadenbegrünung an bestehenden Bauten war bisher eher unattraktiv, da die notwendigen Abwicklungs- und Genehmigungsprozesse sehr komplex waren und es simples, einfach zu installierendes Fassadenbegrünungs-Set gab.

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Problem Bewilligungsprozess

In Wien gab es keine zentrale Anlaufstelle für die Bewilligung von Grünfassaden. Für eine Aufstellung auf öffentlichem Grund mussten Einreicher einzeln bei bis zu neun verschiedenen Stellen ansuchen, um die erforderlichen Unterlagen zur Verkehrsverhandlung (Ortsverhandlung) zusammenzutragen. Erst bei der Verkehrsverhandlung, die wichtigste Voraussetzung für einen Bescheid ist, wurde die erforderliche Gehsteigbreite – das häufigste k.o.-Kriterium für straßenseitige Begrünungen – festgestellt.

Problem Bauliche Umsetzung

Zudem mussten für troggebundene Grünfassaden mindestens elf verschiedene Komponenten zusammengestellt werden. Die Gewerke Planer, Garten- und Landschaftsbauer, Fassadenbauer – bei der Verwendung von Rankhilfen –  und Installateur (bei Installation einer automatischen Bewässerung) mussten separat kontaktiert werden und es gab keine gesamte Gewährleistung für die Begrünungslösung. Der gesamte Ablauf stellte also eine große Hürde für die Umsetzungen dar. Deshalb setzte das Projekt „50 Grüne Häuser“ genau an diesen beiden Punkten an.

Das Forschungsprojekt „50 Grüne Häuser“

Im Rahmen von „50 Grüne Häuser“ wurde erstmals – in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Wien – eine integrierte Kombi-Lösung für troggebundene Grünfassaden als All-In-One Paket entwickelt. Diese besteht aus zwei Komponenten: Zum einen aus dem BeRTA-Modul (Begrünung, Rankhilfe, Trog, All-In-One), einer einfachen, kostengünstigen, breit implementierbaren Pflanzentrog-Lösung mit Rankhilfen und Wartungskonzept, die für die Spezifika des Bestandes und den Einsatz auf öffentlichem Grund ausgelegt, aber auch im Innenhof/Privatgrund anwendbar ist. Die zweite Komponente stellt das BeRTA-Webtool dar, durch das alle Informationen für Planung und Genehmigung im BeRTA-Prozess erhoben und aufbereitet werden. Es macht es auch möglich, bereits frühzeitig eine Abschätzung der passenden Gehsteigbreite zu erhalten.

Das Vorgehen

Zu Beginn des Projekts wurden gezielte Erhebungen in Form von Interviews mit künftigen Nutzern und Fokusgruppen mit den beteiligten Verwaltungs-Dienststellen geführt. So konnten die Anforderungen und Genehmigungsabläufe der Stadt Wien analysiert werden und das Gesamtkonzept möglichst gut an die Bedürfnisse der Gebäudebewohner und Eigentümer angepasst werden.

Eigentümer, Mieter und Hausverwaltungen konnten sich im Frühjahr 2019 online auf 50gh.at für die ersten 50 Prototypen des BeRTA-Grünfassadenmoduls bewerben, die kostenlos über das Forschungsprojekt vergeben wurden. Ein Online-Formular führte Interessierte schrittweise durch die Einreichung und fragte rasch und unkompliziert alle erforderlichen Daten ab. Eine Fachjury wählte im Anschluss anhand transparenter Kriterien die Gebäude für die Umsetzungen aus. Die ersten BeRTA-Begrünungen wurden im November 2019 an neun Gebäuden errichtet.

Begleitet wurde das gesamte Projekt von umfassenden Kommunikationsmaßnahmen, um Aufklärungsarbeit zu leisten und das Projekt bekannt zu machen, sowie einem eigenen Arbeitspaket, das sich mit sämtlichen rechtlichen Bedingungen auseinandersetzte. Das Projekt ist auch Kandidat der Internationalen Bauaustellung (IBA_Wien 2022).

Vom Herbst 2019 bis Sommer 2021 lief die Evaluierung: Vegetationstechnische Messungen gaben Aufschluss über den Zustand der Pflanzen und in einem sozialwissenschaftlichen Monitoring wurde mittels Befragungen die Einschätzung der Hausbewohner und Pflegebeauftragten erhoben. Die Ergebnisse zeigen eine sehr hohe Zufriedenheit mit dem Prozess und dem BeRTA-Modulsystem insgesamt.

Lesen Sie mehr zu den Projektergebnissen in der Ausgabe 5.2021 von QUARTIER – Fachmagazin für urbanen Wohnungsbau.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus QUARTIER 5.2021, Autorinnen: Mag. MAS MSc Susanne Lins, BSc MA Julia Beck

QUARTIER informiert über kostensensibles und qualitätsvolles Bauen sowie Maßnahmen und Konzepte für zukunftsweisenden Städtebau und die Quartiersentwicklung. Weitere Informationen auf www.magazin-quartier.de

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