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Architektur in Zeiten des Klimawandels

Der Klimawandel ist real und Architekten können dazu beitragen etwas zu verändern. Der Klimawandel ist in aller Munde und auch wenn einige Personen gerne die Augen davor verschließen würden, sind sich alle Experten einig: zu 99,9 % Wahrscheinlichkeit ist der aktuelle, galoppierende Klimawandel vom Menschen verursacht. Also müssen wir auch etwas tun, damit es nicht so weitergeht. Was Architekten und Architektur tun können, das zeigt der folgende Artikel, der in enger Zusammenarbeit mit Gastautor „Architekt Wolfgang Frey“ entstanden ist.

Die globale Erderwärmung verändert das Klima nicht nur in fernen Ländern, aus denen uns regelmäßig Umweltkatastrophen gemeldet werden, sondern auch in unseren Städten. Dieser Prozess vollzieht sich schleichend, aber deswegen nicht weniger unerbittlich. Was heute vielerorts als unangenehm empfunden wird, wird schon in wenigen Jahren unerträglich sein. 

Dies muss nicht hilflos hingenommen werden. Wir können etwas tun, oder besser: wir können durch marginale Korrekturen unseres Tuns etwas „richtig“ tun. Es wird so viel gebaut wie selten in der Geschichte. Darin liegt Fluch und Segen zugleich. Werden die modernen Städte unwirtliche, sterbende Räume oder lebenswerte, blühende Oasen? 

Architekten sind in dieser Entwicklung die entscheidenden Protagonisten. Nachhaltiges Handeln, ökologische Verantwortung sind längst globale Herausforderungen geworden. Schaffen es Architekten, baulich und städteplanerisch qualifizierte Antworten auf die Erderwärmung und den Klimawandel zu finden?

Lösungen müssen zuverlässig und erschwinglich sein. „Greenwashing“ löst keine Probleme. Ökoromantik auch nicht. Moderne Bauten müssen ökologisch sinnvoll und bezahlbar sein, einen messbaren, einen spürbaren Effekt haben. Und sie müssen langfristig funktionieren, d.h. über die Jahre stabile Ergebnisse liefern. 

Architektur ist aber auch Lebensraum für Menschen, deshalb muss moderne Architektur auch von den Menschen angenommen werden. Soziale Integration durch Ökologisierung der Umwelt. Die fachlichen Hintergründe sind so offensichtlich, und doch im Bewusstsein der Menschen so wenig präsent: 

Die Sonne scheint beständig und gibt konstant 1367 W/m2 an der äußeren Atmosphäre an die Erde ab. Dieser Wert wird Solarkonstante genannt und ist immer gleich. Davon kommen bis zu 1000 W/m2  an Gebäudeoberflächen oder Straßenoberflächen an. Es ist also nicht so, dass die Natur eine Veränderung initiiert hat, sondern das menschliche Handeln verursacht eine Veränderung des natürlichen Lebensraumes.

Die Sonneneinstrahlung erwärmt die beschienenen Oberflächen: Straßen, Dächer und Fassaden werden im Sommer von 60° bis über 100° Celsius heiß. Das sind 40° bis 80° C Temperaturdifferenz zur gewünschten Innenraumtemperatur von ca. 20° Celsius. 

Zum Vergleich: die Wärmedämmung der Gebäudehaut ist für -10° Außentemperatur ausgelegt, das entspricht 30° Temperaturdifferenz, die sommerliche Hitzelast übersteigt diesen Wert also um das Doppelte. Diese extreme Wärmebeaufschlagung kriecht langsam zum Gebäudeinneren vor und führt schlussendlich zu dessen Überhitzung. 

Aber auch der Außenraum ist betroffen: Die aufgeheizten Fassadenflächen oder der heiße Asphalt strahlt zurück, sodass der öffentliche Raum auch sekundär erwärmt wird, was zu einem unangenehm überhitzten Stadtraumklima führt. Auf dem Wärmebild ist die Temperaturdifferenz des unbeschatteten Asphalts  sowie der unbeschatteten weisen Fassade mit über 60° Celsius gegenüber dem Schattenspot auf der Straße durch das frisch gepflanzte Bäumchen mit rund 25° Celsius zu erkennen. (Bild 1)

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Abb. 1

Weiterhin führt die Aufheizung auch zu einer Reduzierung der relativen Feuchtigkeit. Dadurch können weniger Feinstäube gebunden werden und da sich die Regenneigung verringert, reduziert sich die Auswaschung des Staubgehaltes aus der Luft durch die langen Trockenperioden. 

Eine Stadt besteht aus einer Vielzahl von Gebäuden, deren Gebäudehüllen die größte Fläche darstellt und damit einen für das Stadtraumklima wesentlichen Einflussfaktor darstellt. Die Gebäudeaußenhülle verursacht in diesem Prozess häufig negative Effekte. Sie kann aber auch – richtig konzipiert – der Erderwärmung entgegenwirken und damit positiv das Stadtraumklima beeinflussen.

Durch eine doppelte Fassadenhülle (wie in Heidelberg Village und in Freiburg beim Greenhouse realisiert), werden negativ Effekte verhindert und das Klima positiv beeinflusst.
Durch eine doppelte Fassadenhülle (wie in Heidelberg Village und in Freiburg beim Greenhouse realisiert), werden negativ Effekte verhindert und das Klima positiv beeinflusst.

Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat zusammen mit dem Architekten Prof. hc. Dr. hc. Wolfgang Frey umfangreiche Feldversuche durchgeführt und eine deutliche Reduzierung der Innenraumtemperatur ebenso wie eine signifikante Reduzierung der Rückstrahlung in den Stadtraum empirisch ermittelt.  

Nach den wissenschaftlichen Untersuchen konnte eine Reduzierung der Innenraumtemperatur im Hochsommer um bis zu 11° Celsius durch Gebäudeverschattung im Modellprojekt pro scholare von Architekt Frey nachgewiesen werden.

Nach den dort entwickelten Klimamodellen könnte mit dieser Bautechnik eine Reduzierung der Überhitzung um 2,7° Celsius im globalen Stadtraumklima erzielt werden. 

Bei den nachhaltigen Häusern von Architekt  Frey sind große Fassadenabschnitte mit einer umlaufenden doppelten Gebäudeebene versehen, welche auf die kritischen Umwelteinflüsse positiven Einfluss hat. 

Die Überhitzung im Sommer wird durch Verschattung reduziert. Jeder Mensch, der bei extremer Hitze im Hochsommer draußen ist, sucht gerne die Erleichterung schattenspendender Bäume.

Genau diesem Prinzip folgen die Häuser, die sogar in Asiens Megaagglomerationen wegen ihrer Vorbildfunktion intensiv diskutiert werden. (Bild: Heidelberg Village) 

Die äußere Fassadenebene, z.B. eine Photovoltaik-Paneele, welche vollständig von der thermischen Hülle des Gebäudes getrennt ist, nimmt die Energie der Sonnenstrahlung auf und wandelt sie in Strom um – im Gegensatz zu konventionellen Gebäuden, wo die Überhitzung der äußeren Lage in Form von Wärme in den Innenraum geleitet wird.

Die dahinterliegenden Gebäudeteile (Balkone, Fenster, Fassade) liegen somit im Schatten und werden von der Überhitzung verschont.  

Wärmebild: Abschattung thermische Gebäudehülle.

„Normalerweise wird die von der Sonne geschenkte Energie unreflektiert ins Haus gelassen und dann teuer mit Erdöl bekämpft. Die vorgehängten PV-Paneelen erzeugen wohltuenden Schatten und ganz nebenbei noch Energie. Das ist smart.“

Architekt Wolfgang Frey
Fassade des Greenhouse in Freiburg Rieselfeld, bei dem  die Balkongeländer selbst durch PV Module elektrische Energie für den Eigenverbrauch generieren. Das Gebäude ist selbst an heißen Sommertagen ohne Klimaanlage wohltemperiert.
Fassade des Greenhouse in Freiburg Rieselfeld, bei dem  die Balkongeländer selbst durch PV Module elektrische Energie für den Eigenverbrauch generieren. Das Gebäude ist selbst an heißen Sommertagen ohne Klimaanlage wohltemperiert.

Durch Begrünung kann die Situation weiter verbessert werden. Die Begrünung verhindert das Aufheizen im heißen Sommer nicht nur durch die Verschattung, der Wachstumsprozess wirkt sich positiv auf das Umfeld aus: die Luft wird mit Feuchtigkeit angereichert, Schadstoffe werden gebunden und über die Photosynthese wird CO2  aus der Atmosphäre gezogen und in Sauerstoff umgewandelt. Ganz nebenbei genießen die Bewohner es, in einer grünen Laube an einem lauen Abend zu sitzen, anstatt auf einem nackten Betonbalkon.

Im Winter verhindert die zweite Fassadenebene eine Auskühlung durch zweierlei Effekte:

  1. Normalerweise streicht der Wind unmittelbar an der Außenhülle des Gebäudes entlang und saugt die Wärme gleichsam aus dem Gebäude heraus. Durch die zweite Fassadenebene wird dies verhindert. Die umlaufenden Balkone mit der Begrünung und der PV-Anlage bilden eine Rauigkeit wie die Meteorologen sagen, die um die Gebäude eine Luftverwirbelung verursachen, sodass die Windgeschwindigkeit an der Oberfläche so gering ist, dass eine Abkühlung signifikant abgemildert wird.  
  2. Die Abstrahlung wird verhindert. Wenn z.B. im kalten Winter ein Auto im Freien über Nacht geparkt wird, vereisen die Scheiben, sodass diese morgens mühsam freigekratzt werden müssen. Steht das Auto aber unter einem Carportdach, vereisen die Scheiben nicht, obwohl die Umgebungstemperatur die gleiche ist. Die Abstrahlung der Wärme ins All ist physikalisch um Potenzen wesentlicher als die Transmissionswärmeverluste. Genau diesen Effekt hat die umlaufende zweite Fassadenebene. Sie erzeugt eine Übergangszone, die die Abstrahlung von der thermischen Hülle verhindert. Die Auskühlung des Gebäudekörpers in einer bitterkalten Winternacht wird somit signifikant reduziert. 

Interessant dabei ist jedoch, dass die auskragenden Bauelemente über eine systematische Selbstregulierung verfügen: Ähnlich dem Effekt eines sommerlichen Strohhutes wird die steilstehende Sommersonne durch die auskragenden Elemente abgeschattet, so dass die darunterliegenden Fassadenelemente verschattet sind. Im Winter reguliert sich die Situation jedoch um, da die Wintersonne nun viel tiefer am Himmel durch den flachen Einfallswinkel unter die auskragenden Elemente scheinen kann und somit tief in das Gebäude einstrahlen und zur Aufwärmung im Winter beitragen kann. 

Eine solche systematische Selbstregulierung wird durch die Begrünung ebenfalls erzeugt. Im Sommer verhindert die intensive Belaubung der Fassadenbegrünung, dass die heiße Sonnenstrahlung die Fassade oder den Freisitz ungut erwärmt. Im Winter kehrt sich die Situation um, da die Pflanzen die Blätter abwerfen, die Ranken in der kalten Jahreszeit also keine Belaubung aufweisen, so dass die Sonne ungehindert das Gebäude erwärmt. So kann die freie Energie der Sonne die Oberfläche der Bebauung erwärmen und natürlich zur Gebäudeerwärmung beitragen. 

Diese Architekturprinzipien können weltweit angewandt werden. Die von Prof. hc. Dr. hc. Wolfgang Frey realisierte Siedlung im Sino-German Ecopark in Qingdao ist deshalb als eine der staatsrelevanten Gebäudeentwicklungen im aktuellen 5 Jahresplan von der chinesischen Regierung ausgezeichnet und ausdrücklich zum Vorbild für chinesische Bauentwicklungen gekürt worden.

Das von Frey Architekten finanzierte Passivhausprojekt ist derzeit das größte und ambitionierteste Passivhausprojekt in China, wo gegenwärtig zwei größere Passivhaussiedlungen entstehen.
Das von Frey Architekten finanzierte Passivhausprojekt ist derzeit das größte und ambitionierteste Passivhausprojekt in China, wo gegenwärtig zwei größere Passivhaussiedlungen entstehen.

Die Heidelberger Bahnstadt, die größte Passivhaussiedlung weltweit, ist dabei Vorbild für diese entstehenden wegweisenden Quartiere. Hier findet sich ein bunter Mix von sowohl Wohn- als auch Gewerbebauten. Keine Monostrukturen, sondern Vielfaltsgemeinschaften, die dem gelingenden Alltag Raum geben. Im Vordergrund steht die sozialisierende Aneignungsmöglichkeit. Hier entsteht Heimat, Identifikation wird durch Aneignung ermöglicht. Die Pflanzen stehen auf der Bodenebene in der natürlich bewässerten Erde. Auch Pflegeengpässe in der Zukunft sind für die Pflanzen nicht existenzgefährdend. Dies ist eine kostengünstige Lösung mit minimalem Pflegaufwand, was wiederum bedeutet, dass die Bewohner keine hohen Mietnebenkosten bezahlen müssen.

Manche der Rankpflanzen sind Nutzpflanzen wie Kiwis (insbesondere vor dem Kindergarten), sodass die Bewohner auch noch den Benefit haben, direkt vom Balkon leckere Früchte naschen zu können. 

Ich danke Herr Frey für seine Idee zu diesen Gastartikel.
Frey Gruppe
Inhaber: Wolfgang Frey
Prof. h.c. Uni. Jilin, CN
Dr. h.c. Uni. Tumbes, PE
Dipl. Ing. Architekt 

Bertha-von-Suttner-Straße 14
79111 Freiburg im Breisgau

Fon:      +49 761 477415 –0
Fax:      +49 761 477415 –23
E-Mail:  info@freygruppe.de
Web:   www.freygruppe.de

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Autor

Ich bin Architekt und seit 2009 veröffentliche ich archimag.de. Wenn Ihr Wünsche oder Anregungen habt, dann her damit. Ich freue mich über Eurer Feedback.

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