Wein und Architektur gehörten schon seit jeher zusammen. Guter Wein entsteht in guten Weingütern und herausragende Weingüter unterstützen den Verkauf von Wein. An der Mosel finden sich viele gute Beispiele dieser Symbiose. Auf meiner Reise durch Rheinland-Pfalz habe ich vier besondere Beispiele besucht und bin der Frage nachgegangen, warum die Bauten so entstanden sind, wie sie heute zu sehen sind. Keine der Reisen war bisher thematisch näher am
GenussDuell.
Dass die Kombination von Wein und Architektur eine ist, an der man nicht mehr vorbeikommt, sieht man unter anderem daran, dass sich auch die Architektenkammer RLP diesem Thema annimmt.
Weintrinken ist en vogue, Weinseminare haben Konjunktur, Weinkulturreisen sind in – Wein ist zum Synonym für Genuss geworden. Qualität ist dabei wieder gefragt und wird auch honoriert. Das tut der Weinwirtschaft gut, aber es fordert sie auch. Weinliebhaber, gerade auch die jüngeren, wollen inzwischen den Wein und seine Herkunft mit allen Sinnen erleben und genießen.Viele Winzer, international und in deutschen Anbaugebieten, haben sich schon darauf eingestellt. Die erzielte Aufmerksamkeit und Anerkennung gibt ihnenRecht. Eigentlich keine neue Entwicklung: Weingüter haben über Jahrhunderte ihre Produkte mit schönen Bauten und herrschaftlichen Residenzen am Rhein, ander Mosel, der Ahr und der Nahe oder am Haardtrand gefeiert. Diese Anwesen sind oft auch heute noch touristische Attraktionen. Stolz zieren sie die Logos derWeingüter und prägen den Charme der Weinorte mit. Jetzt entstehen überall ambitionierte Neu-, Um- und Anbauten, die die große Tradition aufgreifen.Überall gibt es Neues in der Nähe zu entdecken.
Quelle: https://www.diearchitekten.org/main-menue/baukultur/wein-architektur/ abgerufen 09/18.
Meine Reise führte mich von Luxemburg bis Koblenz über malerische Straßen im Moseltal und über die umliegenden Ortschaften. Unterstrichen von sonnigem Wetter habe ich viele Stationen für euch angefahren und mir hier die interessantesten herausgesucht.
Das Gästehaus des Weingut Cantzheim
Vor der beeindruckenden Kulisse des Weinberges in Kanzem steht das spätbarocke Gutshaus „Cantzheim“ an der Saar. Diese Gebäude wurde durch den Schweizer Architekten Max Dudler im Rahmen des bestehenden Denkmalschutzes renoviert und ergänzt. Neben dem Umbau des Gutshauses ist eine Orangerie und ein Gästehaus entstanden.
Hierbei halten die zwei Neubauten respektvollen Abstand zum Gutshaus und bieten so Platz für die unaufdringliche Landschaftsarchitektur von Bernhard Korte. Das Haus von 1740, welches als Weingut des Klosters Wadgassen errichtet wurde und sich lange im Besitz des Bischöflichen Priesterseminars Trier befand, wurde 2007 erworben.
Auf die Frage, warum das Gutshaus erworben und ein Bau unter den Voraussetzungen des Denkmalschutzes geplant wurde, erfuhr ich vom Schwiegersohn und heutigen Betreiber des Weingutes:
Mein Schwiegervater wollte immer schon bauen.
Aus persönlichen Kontakten zu dem Architekten Ungers ergaben sich erste Gespräche. Ungers musste aufgrund seines Alters die Planung jedoch ablehnen. Er verwies den Bauherrn jedoch an seinen ehemaligen Schüler Max Dudler.
Dudler entwarf ein Konzept, welches die barocke Bausubstanz des Gutshauses respektiert und fremde Anbauten entfernte. Im Inneren des Hauses wurde die ursprüngliche Struktur nicht angetastet und nur zeitgemäß modernisiert. Die Unterbringung der Technik wird in der neu errichteten Remise ermöglicht. In Form und Materialität orientieren sich die Gebäude an der Landschaft. Die Wände und das Dach der zweigeschossigen Remise sind aus handwerklich gefertigten Stampfbeton ausgeformt. In dieser spiegeln sich die erdfarbenen Töne der umgebenden Hügel wieder. Die Orangerie besteht aus Stahl und Glas ist das Gegenstück zur monolithischen Remise. Seine filigrane Struktur nimmt die Vertikalität, der die Landschaft dominierenden Rebstöcke auf.
Genutzt wird das Anwesen als Gästehaus, Weingutsvinothek, Veranstaltungsort und Privatwohnung. Drei Gästezimmer sowie eine separat zugängliche Privatwohnung befinden sich im Obergeschoss des Gutshauses. Zwei zusätzliche Gästezimmer befinden sich im Obergeschoss der Remise.
Vinothek Weingut F. J. Regnery
Diese Vinothek ist nach der Übergabe an die nächste Generation entstanden. Auf dem vorhandenen Grundstück gab es die „alte“ Vinothek, welche den Charme 70er Jahre hat. Nicht unattraktiv, aber dieAnsprüche der Kunden ändern sich und somit sollte etwas Neues und Frisches entstehen. Dabei war das Grundstück mit dem verbleibenden Platz nicht einfach zu beplanen.
„Bloß nichts Eckiges!“
Das war die Vorgabe von Andrea und Peter Regnery an den Architekten Marco Hoffmann aus Wittlich. Entstanden ist so die neue, interessante Vinothek „Weingut F.J. Regnery“, die 2016 vom Deutschen Weininstitut unter die TOP 50 Vinotheken Deutschlands gewählt wurde. Die Architektur sollte ein Ambiente zum Wohlfühlen schaffen, in dem die herzlichen Gastgeber erstklassige Weine präsentieren können.
Der Architekt plante auf dem alten Gewölbekeller ein fass- oder tropfenförmiges Gebäude, welches durch einen 6,30m hohen Vorhang aus rau belassenen, geölten Eichenbalken verkleidet wird.
Im Inneren empfängt einem der Verkaufsraum mit Theke, Holzbänken und hinter Glas beleuchteten Fotos. Die Wände sind mit einem Lehm-Schilf-Putz gestaltet und geben den Räumen somit eine individuell strukturierte Optik, verbessern das Raumklima und sorgen für eine angenehme Akustik. Im Obergeschoss gibt es Sitzgelegenheiten für gemütliche Proben und Präsentationen. Oberer Raum und Terrasse lassen sich durch Faltelemente zu einem offenen Raum verschmelzen. Hier genießt man dann den Blick auf die hauseigenen Riesling und Spätburgunder Weinberge in der Steillage Klüsserather Bruderschaft.
Winzerhäuschen Weinkulturgut Longen-Schröder
Um Wein und Landschaft richtig genießen zu können, genügen nicht ein paar Stunden in einer Vinothek. Vielmehr ist es Teil der Erfahrung, zu Genießen und zu Entschleunigen. Das Weingut Longen-Schröder wollte seineKapazitäten also erweitern und Gästehäuser schaffen. Aber wie findet man den richtigen Architekten hierfür? Für Familie Longen fing der Findungsprozess prinzipiell schon vor dem Wunsch zu bauen an.
Uns ist immer wieder die gleiche Art von Architekturaufgefallen. Und mit dieser Architektur war in den meisten Fällen Matteo Thun aus Südtirol verbunden. Als wir uns dann entschieden haben das Bauprojekt anzugehen, haben wir Herr Thun einfach eine E-Mail geschrieben. Was uns sehr freute war, dass wir schon wenige Stunden später eine Antwort hatten.
, so Familie Longen zu mir.
Schnell fand man dann eine Möglichkeit, sich in Mailand das erste Mal zu treffen und die Rahmenbedingungen für das Projekt abzustimmen. Architekt Thun hat sich auch auf die Ferne um alle Details gekümmert – vom Entwurf bis zur Verarbeitung von lokalen Materialien.
Das Bauamt wurde von Anfang an eingezogen und so entstand 2011 die Erweiterung der Vinothek und von 2011 bis 2012 die Gästehäuser.
Herausgekommen sind Ferienhäuser aus Schiefer mit jeweils ca. 20qm. Die Ferienwohnungen sind hell, klar und reduziert gestaltet. Weil die 20 Häuser auf einen ca. 6.500 Quadratmeter großen Grundstück inmitten von Obstbäumen stehen, konnte jedes Haus einen thematisch anderen kleine Garten bekommen und erreicht somit ein hohes Maß an Privatheit. Die Feriengäste können daher zwischen einem Schattengarten, einem einfachen Kräuter-Bauerngarten, einem Obstgarten sowie einem Rosengarten wählen.
Ein Konzept welches auch die Jury des Architekturpreises Wein 2013 überzeugte und dem Projekt den ersten Platz verlieh.
Neben dem schmackhaften Wein und an einem ruhigen Ort eine Auszeit zu genießen, kann man hier auch gut Speisen. Hiervon konnte ich mich bei einem Mittagessen selbst überzeugen.
Sicherlich auch ein Grund, warum seit den ersten Gäste 2012 der Zustrom von Gästen aus allen Regionen, aber auch gerade von der Mosel selbst, für eine kleine Auszeit nicht abreißt.
Weinwerkstatt Lubentiushof
Einen Ort für Weinproben zu schaffen, war das Ziel vonFamilie Barth, die aus keiner Familie mit jahrhundertlanger Winzertradition stammt, sondern als Quereinsteiger mit dem Lubentiushof für frische Impulse sorgt.
Die alte Scheune sollte teilweise abgerissen werden und durch einen Ort für die Präsentation der Weine ersetzt werden. Im Gegensatz zu der oberen Mosel, ist das Tal hier eng und die Grundstücke klein. Das Gebäude türmt sich also auf 27,5 qm Fläche über drei Geschosse auf und lehnt sich an die vorhandenen Gemäuer an. Ergänzt werden die alten Mauern durch Sichtbeton, Stahl, Glas und Holz. Einem Materialmix, der der Bauherrin wichtig war.
Im Erdgeschoss entsteht so ein, zum kleinen Hof gelegener, Raum für die Weinproben, welcher sich durch Faltelemente komplett öffnen lässt.
Über eine Stahlholz-Treppe, die in Ihrer Gestallt über die Geschosse auf den reduzierten Platz Rücksicht nimmt, kommt man im Obergeschoss zu dem Büroraum.
Die Fassade ist ab hier mit Holz verkleidet und schützt den Innenraum von Blicken von außen, ohne die Aussicht einzuschränken.
Im Dachgeschoss folgt dann eine Übernachtungsmöglichkeit.
Unser Bad hier ist das Bad mit dem wahrscheinlich schönsten Ausblick an der Mosel.
Sagt die Bauherrin, die vor dem Besitz eines Weingutes Innenarchitektin war.
So ist auch der extrem genaue Blick fürs Detail zu erklären. Jede Achse und jedes Detail sind überdacht, verworfen und neu überdacht. Und doch merkt man dieses in den Räumen nicht. Es stellt sich nur das Gefühl ein, dass hier alles stimmt.
Wichtig ist mir, dass sich die Gäste wohlfühlen.Diese sollten nicht sehen, wie viel Arbeit im Detail steckt. Vielmehr soll dasintuitive Gefühl entstehen, dass hier alles richtig und passend ist.
Mosel und Architektur – viele Möglichkeiten.
Diese vier Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen sehenswerten Orten, an denen Architektur und Wein eine neue, reizvolle Symbiose eingegangen sind. Die Möglichkeiten, Neues zu entdecken sind so vielfältig, da die Weine vielfältig sind. Und so verschieden die Gründe auch sind, die Präsentation von Wein neu zu überdenken, so vielfältig sind auch die Lösungsansätze. Die Mosel ist hierfür ein ganz besonderer Ausgangspunkt, den man als Architekturreise genauso planen kann, wie auch als Weinprobenreise.
Das waren nun meine Reisen im Rahmen des GenussDuell 2018. An dieser Stelle werde ich Euch jedoch noch vom eigentlichen GenussDuell am 05. November 2018 berichten. Wer noch näher dran sein will, der folgt archimag gerne auf Twitter, Facebook oder Instagram.