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Tiny Houses in Deutschland

Hochbett im Tiny House Diekmann

Jeder Trend sorgt für eine Gegenbewegung. Auf die protestierenden 68er folgt die Nullbockbewegung. Auf die immer größere Freizügigkeit die jungfräuliche Ehe und auf immer mehr Konsum die Beschränkung auf die nötigsten Dinge. Und auf moderne und große Häuser – das Tiny House. Ich hatte ein Wochenende die Gelegenheit ein Tiny House zu nutzen und habe viel gelernt.

Tiny Houses – der DIY/Lifestyle Trend aus den USA

Das „Tiny House“ kommt aus den USA und bedeutet wörtlich in etwa „winziges Haus“. Was tiny bzw. winzig ist, ist aber (noch) nirgends definiert. In den USA gelten beispielsweise Häuser mit bis zu 500 sq ft., also ungefähr 46qm „tiny“. Hier muss man jedoch bedenken, dass der Größenunterschied zum normalen Haus gewaltig ist. Die sehr informative deutsche Website http://tiny-houses.de/was-sind-tiny-houses/ führt zur Größe etwas weiter aus:

Jay Shafer, Gründer der Tumbleweed Tiny House Company und von vielen als der Guru des Tiny House Movement angesehen, bezeichnet die von ihm entworfenen rollenden Häuschen mit um die 12 qm Wohnfläche als „small houses“. Da allerdings in den USA Pkw-Anhänger bis zu folgenden maximalen Abmessungen keine Sonderzulassung benötigen, kann man diese Außenmaße für eine Definition der auf Trailer aufgebauten Häuschen heranziehen:  13,5 ft. (Gesamt-)Höhe und 8,5 ft. Breite – das entspricht 4,11 m Höhe (incl. Hänger) und 2,6 m Breite. Was die Länge betrifft gibt es Varianten zwischen 10 und 24 Fuß – also zwischen 3 und 7,3 Metern.

In Deutschland werden demnach die Häuser auf Rädern vornehmlich als „Tiny Houses“ bezeichnet. Das steht im Gegensatz zu immobilen Mikro-, Mini oder Kleinsthäusern.

Diekmann Tiny House Innenansicht
Diekmann Tiny House Innenansicht

Die Tiny House-Bewegung in den USA hat viel mit DIY (Do it yourself) zu tun. Auch wenn dieser Aspekt in Europa nicht zu unterschätzen ist, so gibt es hier in Deutschland eher fertige Lösungen zu kaufen.

Unterschiedliche Angebote in Deutschland

In Deutschland (und auch Europa) gibt es zurzeit „nur“ eine Handvoll Unternehmen, die Tiny Houses anbieten. Dabei sind die kleinen Häuser extrem im Trend, wie auch eine Umfrage aus dem Jahr 2017 von Tipp24, dem Anbieter für Online-Lotterie, gezeigt hat. In der Umfrage wollte Tipp24 wissen, was die Deutschen mit einem relevanten Lottogewinn machen würden. Natürlich wurde erwartet, dass luxuriöse Häuser, Jachten, Reise und schnelle, teure Autos genannt werden, aber weit gefehlt. Die Umfrage zeigt vielmehr, dass es eher einen Trend hin zum Kleineren gibt. Viele sahen die teuren, großen Dinge eher als Verpflichtung und Ballast an und wünschten sich im Bezug auf das Wohnen eher ein kleines und flexibles Zuhause. Ein Tiny House eben.

Eine Liste von Anbietern in Deutschland, Österreich und der Schweiz findet man hier: http://tiny-houses.de/was-sind-tiny-houses/hersteller-in-europa/

Rechtliches zur Situation in Deutschland

So einfach kaufen und bewohnen kann man ein Tiny House in Deutschland natürlich nicht. Hier sollte man sich vorher von einem Anbieter beraten lassen und im Zweifel auch das Bauamt seiner Stadt befragen. Die Ämter zeigen sich (von Unterschieden von Bundesland zu Bundesland mal abgesehen) in kleinen Gemeinden eher flexibel. Die meisten Widerstände hat man in großen Städten.

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Auf Campingplätzen ist es oft ohne Probleme möglich. Aber hier gibt es dann meist keine Möglichkeit, seinen Erstwohnsitz anzumelden und ein Kaminofen ist auch in der Regelt tabu. Der eigene Garten kann eine Alternative sein, aber der macht dann als Erstwohnsitz wenig Sinn. Mein Gespräch mit Herrn Diekmann von „Tiny House Diekmann“ in Hamm zeigt mir aber, dass der Kreativität der Kunden fast keine Grenze gesetzt sind und gerade in ungewöhnlichen Umgebungen ein Tiny House seine Stärken zeigen kann.

Gas-Therme im Tiny House
Gas-Therme im Tiny House

Probewohnen in Hamm bei Herrn Diekmann

Etwas holprig war die Anreise zum TinyHouse in Hamm. Gerade an diesem Wochenende war die Autobahn extrem voll. Aber wenn man mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von ca. 50 km/h auf sein Wochenendziel zurollt, dann kann man sich ja auch schon Gedanken machen.

Ist das Ganze eher vergleichbar mit Camping oder gar eine vollwertige kleine Wohnung? Gibt es Einschränkungen für große Menschen, zu denen ich mich zähle?

Das Tiny House der Schreinerei Diekmann steht auf einem Anhängergerüst und kann daher beliebig versetzt werden. Innen empfängt einen ein hoher, freundlicher, mit Holz ausgestatteter Raum. Über dem Eingang und dem Bad ist eine Hochbettempore mit einer Matratze. Das Ganze ist sehr hell und ein wenig skandinavisch eingerichtet.

Eßecke im Tiny House Diekmann
Eßecke im Tiny House Diekmann

Es ist ein Gasanschluss, Wasser und Strom vorhanden. Die Länge dieses Tiny Houses ist 7,2m bei einer Breite von um die 2,5m. Das Ganze ist die Maximalgröße und damit gar nicht mehr so „Tiny“. Die Häuser fangen bei 5,4 m Länge an. Wenn man sich für eine Version entschieden hat, kann man sein „Haus“ nach 6-8 Wochen abholen. Das Musterhaus hier würde ca. 40.000 Euro kosten. Also ca. 2.200 Euro je qm Grundfläche.

Um das TinyHome auf Herz und Nieren zu prüfen, habe ich einen guten Freund eingeladen und wir haben abends zusammen gekocht, gegessen und geredet. Das Ganze erinnert mich sehr an meine Studienzeit. Meine „Bude“ dort war auch nicht größer, aber hatte eben keinen Garten vor der Tür.

Man hat erst mal alles, was man benötigt. Im Musterwagen ist noch viel Platz und durch geschickte Einbauten könnte man sich das sehr vielseitig gestalten.

Ein Wermutstropfen ist das Bad. Ich liebe große Bäder und Duschen mit Platz und gutem Wasserdruck. Diese müsste ich in meinen Tiny House anders machen.

Die Nacht war im Übrigen sehr gut, was neben der guten Matratze auch an dem abgelegenen Standort des Tiny Houses lag.

Ein Hochbett - Prima
Ein Hochbett – Prima

So ein Tiny House hat auch immer etwas mit Einschränkung zu tun. Sicherlich sind die Einschränkungen, wenn man gedanklich von einem Einfamilienhaus kommt, recht groß und der Aufenthalt mutet eher nach Abenteuer und Ferien an. Wenn man aber die Wohnungsnot, die Bezahlbarkeit von Eigentum oder die Situation von vielen Studenten als Ausgangssituation heranzieht, dann bring so ein Tiny House plötzlich große Vorteile.

Auch wenn ich eher mein eigenes, großes Haus bevorzuge und auch lieber etwas größer für andere plane, so war das Wochenende im Tiny House eine gute Erfahrung und ich glaube fest, dass der Trend unbeirrt weitergehen wird, da so ein Haus bzw. so eine Wohnung viele Probleme im Wohnungsmarkt lösen könnte.

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In Kürze folgt ein Interview mit Herrn Diekmann.

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Autor

Ich bin Architekt und seit 2009 veröffentliche ich archimag.de. Wenn Ihr Wünsche oder Anregungen habt, dann her damit. Ich freue mich über Eurer Feedback.

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Vanessa von Sukhi sagt:

    Die Idee vom Tiny House ist toll und so praktisch wenn man gerne unterwegs ist. Leider sehr schade, dass das mit der Bürokratie in Deutschland dann nicht immer ganz so einfach ist.

  2. Arno sagt:

    Vielen Dank für den umfassenden, informativen Artikel und deine Erfahrungen mit dem Tiny House.

    Ist sicher nicht für jedermann was, aber ich denke für Singles, die nicht genug Geld für ein „normales“ Haus oder eine Eigentumswohnung haben, bietet das Tiny House eine tolle Alternative.

    Es wäre schön, wenn Deutschland bei der Genehmigung von solchen Häusern etwas unbürokratischer werden könnte, denn letztlich könnten die Tiny Houses die Wohnmarkt-Situation in Deutschland tatsächlich etwas entspannen.

    Wer dann noch handwerklich was drauf hat und an seinem eigenen Tiny House basteln kann, wird sicher seine helle Freude mit dem Mini-Haus haben.

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