Bei den 10 Gründen ein Fertighaus zu bauen, habe ich echt vom Leder gezogen und alle meine Erfahrungen in eine böse und pointierte Liste gesteckt. Sicher wäre es nicht fair, wenn ich eine solche Liste nicht auch über das Bauen mit Architekten schreiben würde. Natürlich fehlen mir hier die schlimmsten Erfahrungen. Aber das lässt sich durch Vorurteile und Klischees sicher überbrücken. Here we go:
1. Architektenhaus
Das Architektenhaus ist Ritterschlag und vernichtendes Urteil zugleich. Das Haus wird individuell geplant sein, sich meinen Bedürfnissen (oder zumindest den Bedürfnissen des Architekten – siehe Nr. 2) vollkommen anpassen. Jeder wird das Haus lieben – oder hassen. Da es aber wirklich individuell ist, durchgestylt und in allen Punkte nicht den Regeln der Technik entspricht, wird es unverkäuflich sein. Aber wer denkt heute schon an morgen.
2. Design follows Architekt
Ich habe mir meinen Architekten bewusst ausgesucht. Habe Entwürfe von ihm gesehen und vielleicht war das sogar ausschlaggebend für die Zusammenarbeit. Ab da habe ich das Zepter aus der Hand gegeben. Der Architekt wird meine Bedürfnisse nehmen, sie bewerten und sie mit ca. 100 % seiner Ansichten anreichern und dann umsetzten. Jedes Mal, wenn ich widerspreche, wird er mir mit seinem Fachwissen darlegen, warum es so wie es vorher war besser ist. Nicht umsonst trägt er ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Wenn es komplett schiefgelaufen ist, dann mache es beim zweiten Mal so, wie es Dir Dein Architekt direkt gesagt hat!“.
3. Weniger ist mehr
„Less ist more“ also „Weniger ist mehr“ wurde unter den Architekten Anfang des 20ten Jahrhunderts durch Ludwig Mies van der Rohe populär. Ursprünglich als Gegenbewegung zu den verschnörkelten Gebäuden gedacht, wird der Ausspruch heute durch viele Architekten universell eingesetzt. Ich werde als oft „Less ist more“ hören, wenn ein Extra, das ich möchte, nicht umgesetzt wird. Das Ganze passt natürlich auch zu der im Plan vergessenen Tür zum Abstellraum oder zu dem vielleicht doch nicht schlecht gewesenen Fenster zur Südseite. Aber was habe ich als Laie schon eine Ahnung, denn: „Less ist bore“.
4. Ein Freund fürs Leben
Mein Architekt fühlt sich bei uns wohl. Nicht nur, dass wir unsere geheimsten (Wohn)wünsche mit ihm geteilt haben und mit der Raumplanung auch gleich indirekt unsere Familienplanung ihm offenbart haben. Nein, wir haben auch gemeinsame Feindbilder entwickelt (Handwerke und Bauämter in der Regel). Außerdem ist das Haus ganz so geworden, wie er es wollte. (siehe Nr. 2) Wenn ich jetzt noch weiß, wie ich ihn wieder aus dem Haus bekomme, dann können wir auch an der Familienplanung weiter arbeiten.
5. Entwurf und Ausführung (man kann nicht beides haben)
Mein Architekt begleitet den ganzen Bau vom ersten Gespräch bis zum letzten Nagel. Schade nur, dass alle Architekten entweder entwerfen können oder eine gute Bauleitung sicherstellen. Mein Haus wird also entweder ästhetisch und mangelhaft oder hässlich, aber dicht.
6. Ich lerne gerne Handwerker kennen
Nachdem der Entwurf stand, die Baugenehmigung da war und die Statik berechnet war, haben wir (mein Architekt und ich) uns auf die Suche nach guten Handwerkern gemacht. Sie sollten Zeit hatten und Angebote machen, die ins Budget passen. Nur gibt es die leider nicht. Etwas passte immer nicht. Und da ich als Bauherr die Aufträge vergebe, renne ich auch den Handwerkern hinterher.
7. Architektur wollte ich schon immer studieren
Der Architekt hat einen riesigen Wissensschatz und gibt diesen auch gerne weiter. Schon bei Baubeginn kenne ich die meisten Vorschriften und Regeln beim Bau. In der Bauzeit lerne ich dann alles über Details und Ausführungsregeln. So könnte ich den Job beim nächsten Haus sicher selber machen.
8. Wer braucht schon einen Zeitplan
Der ist nämlich gar nicht einzuhalten. Die Behörden, die ausgebuchten Handwerker und die vielen kleinen Änderungen, die ich will und mein Architekt gerne umsetzt, sorgen einfach dazu, dass alles viel länger dauert. Ein Uhrwerk ist so ein Bau einfach nicht.
9. Die lieben Kosten
Wie schon bei Nr. 6 erwähnt, machen Handwerker selten das, was der Architekt will. So sind die Angebote deutlich über den initialen Schätzungen des Architekten. Das mag daran liegen, dass zwischen Entwurf und Baubeginn alles teurer geworden ist. Es liegt aber auch daran, dass der Architekt einfach Künstler und nicht Finanzberater ist. Letztlich sind ihm die Kosten einfach egal. Und die vielen Änderungen (siehe Nr. 8) tun ihr Übriges.
10. Ich liebe Besuch
Und wenn das Haus dann fertig ist, kehrt Ruhe ein? Weit gefehlt. Das Haus ist so schön geworden, dass jeder es sehen möchte. Am Tag der Architektur treibt mein Architekt Hundertschaften von Bauinteressierten durch meine Räume. Das alles macht mich unheimlich stolz. Und irgendwann kann ich sicher auch mein Haus das erste Mal alleine mit meiner Familie genießen. Bestimmt!
So weit zu den Vorurteilen und zugespitzten Klischees. 10 ehrliche Gründe für das Bauen mit einem Architekten sollte man jetzt aber auch lesen. Denn die Wahrheit sieht dann doch anderes aus.