Fertighäuser und massenkompatible Grundrisse als kleinste Hürde für die Bauherren und kleinster architektonischer Nenner zerstören die Baukultur und machen die Bewohner auf Dauer unglücklich.
Über Fertighäuser und austauschbare Architektur
Aber vielleicht muss ich den Begriff des Fertighauses zunächst einmal näher definieren. Im engeren Sinn handelt es sich hierbei um ein Haus welches auf der Baustelle aus vorher im Werk gefertigten Elementen zusammengesetzt wird. Ich meine aber die, nicht ganz offizielle Definition, wonach das Haus auch klassisch auf der Baustelle gemauert sein darf. Der Begriff „Fertighaus“ bezieht sich dann auf das Vorhandensein eines fertigen Grundrisses, welcher anhand eines Kataloges ausgesucht wird und nicht, oder nur mit großen Aufwand und Aufpreisen, verändert werden kann.
Diese Häuser von der Stange werden von vielen Herstellern, die sich gerne in Musterhausparks tummeln, angeboten. Ihr Argument ist, dass die Häuser so aussehen, weil die Bauherren die Häuser genau so haben möchten.
Ist es aber nicht eher so, dass die Bauherren eine Auswahl von Grundrissen vorgesetzt bekommen und aus diesen wählen, weil Ihnen (von Ihrem Standpunkt aus) Alternativen fehlen?
[tweet_box]Kurz: Sind die Häuser so wie in den Katalogen, weil der Bauherr sie sich so vorstellt, oder baut der Bauherr die Häuser nur so, weil das Angebot schon da ist und ihm vermeintlich Alternativen fehlen? [/tweet_box]
So sicher wie das Amen in der Kirche kommt natürlich von der Fertighausindustrie das Argument, dass sich Häuser die keine will, auch nicht verkaufen und somit nicht gebaut würden. Ich denke aber das die Verlockungen einfach, sicher, unbeschwert und mit 1000-fach „bewährtem“ Grundriss an ein Haus zu extrem günstigen Preis zu kommen, viel zu verlockend ist. Der Aha-Moment kommt dann erst später. Denn, wer will schon ein Haus, welches weder schön noch hässlich ist?
Ist also der kleinste architektonischer Nenner erstrebenswert?
Ist es nicht viel wichtiger Individualität in Gebäude zu bekommen? Architekten planen Häuser für Menschen und gehen auf die individuellen Bedürfnisse der Bauherren ein. Natürlich wird nicht für jeden Bauherren ein komplett neues Konzept erfunden und etwas einzigartigen und nie dagewesenes gezeichnet. Aber in der Addition von bewährtem und persönlichen wird so ein Haus ein Unikat und ist über Jahre hinweg ein treuer und immer passender Begleiter der Bauherren.
Der Architekt hat also den Bauherren immer im Hinterkopf – der Verkäufer versucht eher sein Produkt in den Kopf des Bauherren zu bekommen.
Die Diskussion ist nicht neu. Als Hermann Muthesius 1914 im Werkbund die These aufstellte, dass „die industrie-gerechte Typisierung für die Verbesserung der Produktkultur wichtiger sei als die künstlerische Freiheit des Einzelnen“ brach der Werkbundstreit aus, in dem Henry van de Velde und Walter Gropius die Rolle des schöpferischen Künstlers betonten. Der Ausgang? Na ja, Gropius und dessen „Kind“ Bauhaus sind heute noch weltbekannt.

Qualität und Kosten
„Aber was hilft mir das alles, wenn ich mir nur ein Haus von der Stange leisten kann? Besser ein mittelmäßiges Haus, als gar kein Haus“, mag jetzt der eine oder andere sagen.
Schauen wir uns doch mal genauer an, wie günstig so ein Haus wirklich ist. Selbstverständlich kann ich ein Haus günstiger anbieten, wenn bei 1000 Häusern die Statik gleich ist und der Bauleiter immer weiß, welche Kloschüssel auf welcher Seite des Bades eingebaut wird. Aber schon die kleinsten Änderungen bringen deutliche Aufpreise. Seien wir doch ehrlich zu uns selber: Jedes Grundstück ist schon anders und sei es nur von der Himmelsrichtung und den Abmessungen – vom Bodenverhältnissen und Erdbebenzonen mal abgesehen. Hieraus muss dann natürlich – nach Vertrag – noch eingegangen werden.
Lässt sich der deutsche Bürger in eine Muster-BLB zwängen?
Jeder Kleinigkeit, die nicht in der BLB beschreiben ist oder in einer etwas schlechteren Qualität festgesetzt ist, macht den Verkaufspreis des Hauses kleiner. Der effektive Endpreis des fertigen Hauses bleibt jedoch gleich. Und das in der Regel unabhängig vom Anbieter von Fertighäusern, Generalunternehmer oder einem von Architekten geplanten Hauses.
Ohne jetzt detailliert in Bau- und Leistungsbeschreibungen einzusteigen und diese vom Grund auf auseinander zu nehmen nur ein paar Beispiele:
- Eine BLB kann ohne Bodenplatte des Hauses und ohne Erdarbeiten sein. Das fertige Haus benötigt aber beides.
- Eine BLB welche auf den ersten Blick alle Fliesenarbeiten beinhalten, muss noch nicht einen vernünftigen Fliesenpreis oder sogar Fußleisten beinhalten. Auch hier wird später natürlich beides benötigt.
Das Verkaufsargument Preis ist also nicht wirklich zu halten.
Die FAZ schrieb schon über das meistverkaufte „Fertighaus“ der Nation:
„Flair 113“ – das ist, wie im seriellen Bauen üblich, die Wiederkehr des ewig Gleichen in unzähligen Varianten. Alle am Computer nur einen Mausklick voneinander entfernt. Während die einen „Flair“ als späten Triumph der Bauhaus-Idee feiern, schmähen es andere als Billigkiste, als architektonische Bankrotterklärung. Entsprechend hat das „Deutsche Architektenblatt“ das Modell seinen Lesern einmal als „Haus ohne Eigenschaften“ vorgestellt.
F.A.z. http://www.faz.net/aktuell/stil/lieblingshaus-der-deutschen-12966279.html
Der Startpreis des Flair 113 liegt bei ca. 174.000 € (Stand Ende 2019) kann aber locker auf das 1,5- bis 2-fache steigen. Und auch dann beinhaltet die durchschnittliche Bau- und Leistungsbeschreibung bei Weitem nicht alle Leistungen, die für den Hausbau wirklich benötigt werden. Unterm Strich, und hier lassen wir exotische Wünsche und luxuriös Ausstattung einmal weg, kostet ein Haus egal wie es gebaut wird durchschnittlich dasselbe. Unterschiedlich ist nur die Herangehensweise der unterschiedlichen Partner beim Hausbau. Die einen rechnen das Haus schön und lassen einen mit einem Standardprodukt zunächst gedanklich preiswerter davon kommen. Die anderen zeigen direkt was eine individuelle Lösung kosten wird.
Fertighaus und dann?
Viele Bauherren wissen erst später welche Kosten sie für eine Nullachtfünfzehn-Lösung bezahlen müssen. Dass das in der Regel fast genau der Preis ist, welche Sie für eine gute, individuelle Lösung bezahlt hätten, ahnen die meisten nur. Ein beklemmendes Gefühl bleibt aber mit jedem Nachtrag, welches das doch so günstig Haus immer teurer macht.
Hier zu aber zwei Abschnitte aus einem Baublog, in dem die Bauherren Ihr „Hausbau Abenteuer“ mit einem Fertighaus beschreiben und folgenden Tipps für zukünftige Bauherren geben:
Denn eines sollte Ihnen bewusst sein: Sie sitzen keinem Architekten oder sonstigem Fachpersonal gegenüber. Es sitzt Ihnen ein Verkäufer gegenüber, der eines will: verkaufen. So kommt es nicht selten vor, dass ein Verkäufer noch kurzem, hinter der Backtheke stand oder Autos verkauft hat. Und das sind reale Beispiele. Den netten „Berater“ mit all seinen Versprechen, sehen sie nach Unterschrift, nämlich nie wieder. Auch in Sachen Beratungsqualität stechen erneut die gleichen, diversen Anbieter (deren Namen wir hier öffentlich nicht nennen) negativ hervor, die uns schon bei der Grundstückssuche „behilflich“ sein wollten.
https://unser-hausbau-abenteuer.jimdo.com/tipps/tipps-zur-bauträgersuche/

Haben Sie Anbieter in die engere Wahl gezogen, lassen Sie sich die BLB (Bau- und Leistungsbeschreibung) geben, erstellen Sie eine Tabelle und vergleichen Sie die einzelnen Punkte. Auch hier werden Sie schnell merken, wo der Teufel im Detail sitzt und ggf. unkalkulierte Folgekosten drohen. Nicht jedes Angebot stellt sich nach so einem Vergleich auch als günstig heraus. Ein vermeintlich günstiges Angebot, kann dann schnell man das teuerste Angebot „überholen“.
https://unser-hausbau-abenteuer.jimdo.com/tipps/tipps-zur-bauträgersuche/
Fazit
Wer ist also schuld an der Mittelmäßigkeit vieler Häuser. Dem Kunden, der mit vermeintlich günstigen Preisen, gelockt wird, kann man nur begrenzt einen Vorwurf machen.
Das die meisten Bebauungspläne deutlichen Einschränkungen machen und oft genau diese auswechselbare Architektur als Durchschnitt aller Anforderungen zu lassen ist sicherlich nicht hilfreich. Versuchen Sie heute mal in einem durchschnittlichen Neubaugebiet ein Flachdachhaus zu bauen. Hier wird die Vielfälligkeit durch restriktiven First- und Traufhöhen und immer gleichen Dachformen zusätzlich eingeschränkt. Sicher sollte ein Bebauungsplan so aufgestellt werden, dass dörfliche Regionen oder historische Innenstädte geschützt werden. Aber könnte nicht viel mehr Freiheiten zugelassen werden? Insgesamt aber sicher auch nicht der alleinige Schuldige an der Mittelmäßigkeit.
Und die Architekten? Ist hier ein Verantwortlicher zu suchen? Wahrscheinlich auch nicht. Der Architekt würde zumeist individuellen Lösungen suchen und die Qualität steigern. Nur kommt er häufig nicht zu Zuge, weil der als teuer, unberechenbar und in einigen Augen auch als Diva gesehen wird.

Was also machen? Ich denke, dass Bauherren individuelle Planungen bevorzugen sollten und alle an der Baukultur beteiligten Stellen mehr aufklären sollten.
Ich hoffe mit diesem Artikel einen kleinen Beitrag dazu geliefert zu haben, dass in Zukunft wieder mehr Häuser gebaut werden, die als schön oder zumindest als hässlich angesehen werden können. Also Häuser die weit weg vom Mittelmaß sind. Individuelle Lösungen halt, die die Baukultur bereichern. Schuhkartons zum Wohnen haben wir wahrlich genug.
Wie ist Eure Meinung zu diesem Thema? Schreibt mir doch Eure Ansichten in die Kommentare.