11 Fragen an...

Architekturfotografin Nina Baisch

Portrait N. Baisch Foto © Nina Baisch
Portrait N. Baisch Foto © Nina Baisch
Portrait N. Baisch Foto © Nina Baisch

Heute kann ich euch endlich auch mal eine Architekturfotografin vorstellen. Frau Baisch arbeitet von Konstanz aus hauptsächlich für Schweizer, Österreichische und Süddeutsche Auftraggeber. Sie hat 2004 den Architekturführer Bodensee im Schweizer Verlag Niggli veröffentlicht, in dem sie den Leser und Betrachter auf eine Reise um den Bodensee mit nimmt und dabei Zeitgenössische Bauten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorstellt. Ich bin sehr froh, dass Frau Baisch Zeit gefunden hat meine Fragen zu beantworten.

Frage 1: Frau Baisch steigen wir direkt ein. Was war das letzte Foto,dass Sie gemacht haben?
_Nina Baisch [nb]: Eine leerstehende alte Villa am linken Zürichseeufer für die Dokumentation vor und nach ihrem momentanen Umbau.

Frage 2: Wie sind Sie zur Fotografie und speziell zur Architekturfotografie gekommen?
_nb: Fotografiert habe ich schon vor meinem Design-Studium sehr gern, im Studium selbst hatte ich Fotografie in den ersten Semestern als Nebenfach. In meinem Auslandsjahr in England und in der Schweiz kam ich dann über die Landschaftsfotografie zur Architekturfotografie, da ich mich schon immer auch sehr für Architektur interessiert habe (und dies auch gern studiert hätte). Als mein Professor, der mich schlussendlich in meiner Diplomarbeit betreut hat, zufällig Fotos von mir sah, meinte er ich solle unbedingt etwas mit Fotografie in meiner Diplomarbeit machen. Daraus entstanden ist dann der beim Verlag Niggli publizierte Architekturführer Bodensee, in dem ich die Grafik mit der Architekturfotografie perfekt vereinen konnte, und der meinen Einstieg in die Architekturfotografie darstellte.

Frage 3: Welches Gebäude möchten Sie auf jeden Fall noch ablichten?
_nb: Ein Traum wäre natürlich einmal ein Wohnhaus von Richard Neutra mit Original-Möblierung fotografieren zu können – oder eine Serie über Wohnen am Meer mit unterschiedlichsten Objekten aus den verschiedensten Bauepochen. Interessant wäre aber auch eine Serie über historische Villen in Italien oder Frankreich; mich reizen ge- und verlebte, sonst unzugängliche oder vielleicht auch schon vergessene Räume und Orte, denen man durch die Fotografie wieder eine verdiente Präsenz geben kann.

Friedhof Ebnet Bronschhofen Foto © Nina Baisch
Neubau Friedhof Ebnet CH-Bronschofen, Architekten: Zulauf & Schmidlin CH-Baden Foto © Nina Baisch

Frage 4: Gibt es einen Kundenkreis bei den Architekten, der noch nicht erschlossen ist? Und wen ja, warum ist das Ihrer Meinung nach so?
_nb: Eher nicht – für einen qualitäts- und wertebewussten Architekten sollte die professionelle Architekturfotografie selbstverständlich in der Abrundung seiner Projekte sein – egal wir groß ein Büro oder ein Projekt ist. Wer seine gestalterische und planerische Arbeit ernst nimmt, kann auf beste Präsentation und damit das Networking mit anderen Profis im Bereich Fotografie und Grafik nicht verzichten. Da sehe ich eher Unterschiede in Bezug auf die Nationalität; in der Schweiz und in Österreich wird darauf viel mehr Wert gelegt, und diese Investitionen selbstverständlich in Kauf genommen.

Frage 5: Wie sieht Ihre typische Ausrüstung aus?
_nb: Eine professionelle, digitale Spiegelreflex-Kamera, Weitwinkel – und Shift-Objektive.

Haus Albertin Foto © Nina Baisch
Haus Albertin CH-Haldenstein, Architekt: Robert Albertin CH-Haldenstein Foto © Nina Baisch

Frage 6: Analog oder Digital?
_nb: Digital – analog zu fotografieren ist inzwischen in Bezug auf Kosten, Zeit und Datenhandling unwirtschaftlich, und Fotografen sind nun mal Dienstleister (auch wenn man ein künstlerisch-gestalterisches Studium bieten kann und damit automatischerweise viel mehr in jedes Bild legt). Aber ich erinnere mich auch sehr gern an die analoge Zeit, an Nachmittage in der Dunkelkammer an der Hochschule, an denen Bilder mit viel Zeit, Geduld und Muse sozusagen noch unter den eigenen Händen entstanden sind.

Frage 7: Architektur und Musik werden Parallelen nachgesagt. Hören Sie beim fotografieren oder nachbearbeiten Musik und wenn ja welche?
_nb: Nein, beim fotografieren vor Ort liegt die ganze Konzentration bei der Arbeit und auf das Einlassen auf die Architektur. Beim Nachbearbeiten durchlebe ich den Ort durch die Fotos nochmals – auch da würde Musik ebenfalls meist stören.

Frage 8: Wie stark bearbeiten Sie Ihre Fotos nach?
_nb: Nur so stark wie unbedingt nötig – Architekturfotografie sollte als Mittel der Dokumentation und Vermittlung von Architektur und Kultur nicht auch noch die manipulierte Bilderwelt mit füttern, die uns leider täglich umgibt und unser Auge immer mehr täuscht.

Haus Bold Foto © Nina Baisch
Haus Bold D-Bad Waldsee, Architekt: Thomas Bendel D-Berlin Foto © Nina Baisch

Fragen 9: Das Bild vom Haus Bold sieht sehr interessant aus. Wo steht das Haus und was ist es?
_nb: Das Haus steht in der Nähe von Bad Waldsee in Oberschwaben in einem kleinen Industriegebiet mit Mischnutzung, und steht direkt am Rand zu den umliegenden, weitläufigen Bauernfeldern.

Frage 10: Hat es sich um eine Auftragsarbeit oder um ein freies Projekt gehandelt?
_nb: Das war eine spezielle, eher unübliche Geschichte; auf einem Spaziergang habe ich mir das Haus von außen angesehen und zunächst ein paar Fotos gemacht, nachdem es mir schon früher von weitem aufgrund seiner gewaltigen Präsenz aufgefallen war. Daraufhin habe ich mich beim örtlichen Bauamt nach dem Architekten erkundigt, da ich (richtig) vermutet hatte, dass es von keinem ansässigen Architekten gebaut worden sein konnte. Ein paar dieser Fotos schickte ich dem Architekten nach Berlin, und somit kam der Kontakt und zwei weitere geplante Shootings zustande, unter anderem für eine Veröffentlichung in der Bauwelt. Das Gebäude wurde seither sehr oft international veröffentlicht.

Frage 11: Es sieht so aus, als ob das Haus aus der Froschperspektive aufgenommen wurde. Eine ungewöhnliche Perspektive. Können Sie etwas zur Standortwahl und den Einstellungen der Kamera sagen.
_nb: Wie gesagt, das war komplett unüblich; dieses Foto entstand ganz spontan- daher war die Standortauswahl ganz und gar experimentell und ohne jegliche Vorgaben, aber für diesen Bau und sein Wesen eben genau richtig! Sogar das Wetter und das Licht war in diesem Moment perfekt für diese Art von gewaltiger Architektur. Das ist seltenes Glück und entspricht auch nicht meiner ansonsten sehr geplanten und überlegten Herangehensweise eines Shootings. Zur Kameraeinstellung kann ich sagen, dass ich bei größter, möglicher Blendenzahl immer Belichtungsreihen mache, und anschließend am Bildschirm die passende Belichtung auswähle.

Frage 12: Sie sagten, dass sie ge- bzw. verlebte Ort interessieren. Das Fotos Haus Bold steht somit im krassen Gegensatz zu dem Profilfoto, welches sie mir zur Verfügung gestellt haben. Gibt es hier einen Widerspruch?
_nb: Nein- zum Glück überhaupt nicht- das ist ja das, was das Leben überhaupt ausmacht! Und somit auch die interessanteste Art ist zu Arbeiten. Ich liebe es in diesem Beruf mich in den verschiedensten Räumen und Orten bewegen und arbeiten zu können; von zeitgenössischer reduzierter Sichtbeton-Architektur, leeren Wohnungsbauten aus den 50ern, über Baustellen bis hin zu historischen Gebäuden. Alles andere wäre Einheitsbrei-Architekturfotografie stellt Lebensräume dar, und die sind so unterschiedlich wie deren Bewohner, wie das Leben selbst. Ich begeistere mich natürlich für die perfekte Ästhetik eines Neutra-Interieurs. Aber ich werde auch nie vergessen wie ich in Neuseeland eines der größten Anwesen in Hawkes Bay – Matapiro Station homestead von C.T. Natusch- fotografieren konnte, dessen gesamtes Original-Interieur aus dem Erbauungsjahr 1902 noch vorhanden war. Der letzte Erbe hatte seit 1953 alles so belassen und wohnte seitdem nur noch im servants quarter und öffnete die Türen des Hauses von Zeit zu Zeit für Interessenten. Das Anwesen wurde mittlerweile an einen Großindustriellen aus Auckland verkauft- wer weiß, was mit all den Möbeln und privaten Dingen passierte. Es hätte meiner Meinung nach ein Museum werden sollen. Ich hatte wenigstens das Glück, davon ein wenig mit der Fotografie festzuhalten. Und da wären wir dann wieder beim Lauf des Lebens, und dem Sinn und der Aufgabe der professionellen Fotografie.

Frage 13: Ich von Ihnen in der Zukunft ein weiteres Buch zu erwarten?
_nb: Ja, ich hoffe doch!

Nina Baisch
Diplom-Designerin (FH) | M. A.
Architekturfotografie & Visuelle Gestaltung
Gottlieberstrasse 20
D-78462 Konstanz

+ 49 – 7531 – 2824581
http://www.ninabaisch.com/

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