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Clever Wohnen mit Ikea und die Auswirkungen auf die Architektur

BoKlok Reihenhaus Gartenansicht
BoKlok Reihenhaus Gartenansicht
BoKlok Reihenhaus Gartenansicht

IKEA ist ein riesiges Unternehmen. Das 1943 von Ingvar Kamprad in Schweden gegründete Einrichtungshaus macht jährlich einen Umsatz von 21,5 Milliarden Euro und ist damit die größte Haushaltsmöbelmarke der Welt – ein richtiger Weltkonzern. Über 100.000 Mitarbeiter sind in 36 Ländern damit beschäftigt, 285 Einrichtungshäuser zu betreiben und massenhaft Möbel unter die Leute zu bringen. 80% des Gesamtumsatzes werden in Europa generiert und 17% entfallen alleine auf Deutschland. Damit ist Deutschland der größte Markt des Weltkonzerns. IKEA in Deutschland, das ist die Ikea Deutschland GmbH. Sie betreibt bundesweit 45 Einrichtungshäusern von ihrem Firmensitz in Hofheim-Wallau bei Wiesbaden. IKEA wird den Markt jetzt mit den Fertighäusern BoKlok erobern. Über die Fertighäuser und die möglichen Auswirkungen berichtet dieser Artikel.

IKEA Deutschland

IKEA ist seit dem 17. Oktober 1974 in Deutschland vertreten. Damals wurde in Erching bei München das erste deutsche Einrichtungshaus eröffnet. 1987 gab es dann 18 Häuser u.a. in Berlin, Köln, Stuttgart und Freiburg. Mit Stand Januar 2010 sind es mittlerweile 45 Einrichtungshäusern und weitere sind geplant.

Aber IKEA ist nicht nur ein Einrichtungshaus. Neben Möbeln werden auch allerlei andere Dinge verkauft, die man für die Ausstattung einer Wohnung oder eines Hauses benötigt. Wer schon mal durch den Abholmarkt eines IKEA Einrichtungshauses gelaufen ist, wird wissen, was ich meine (und ich glaube dort ist jeder schon mal durchgelaufen). Aber das Geschäftsfeld von IKEA beschränkt sich nicht nur auf Einrichtungsgegenstände. In den Einrichtungshäusern gibt es Restaurants, in den man günstig Essen kann. Besonders bekannt sind die Hotdogs und Köttbullar. Mit diesen Angeboten ist IKEA auch im Bereich der Gastronomie, neben anderen Ketten wie McDonalds, Burger King und Subway unter den zehn größten internationalen Schnellrestaurants aufgestiegen.

IKEA, dessen Mutterkonzern mittlerweile in den Niederlanden ansässig ist, versucht immer wieder mit geschickten Marketingstrategien und Kundenvorteilen eine hohe Bindung zu erreichen. In den Läden existieren Wickelräume, Kindertoiletten und betreute Spielflächen, sodass die Eltern der Kinder in Ruhe einkaufen können. Oft sind es Kleinigkeiten, wie die kostenlosen Mitnahme-Bleistifte, mit denen eine hohe Kundenbindung erreicht werden soll. Alleine im Jahr 2004 wurden, nur in Deutschland, etwa 3,4 Millionen Bleistifte in den Ikea Einrichtungshäusern ausgelegt. Somit wurden seit 1983 schätzungsweise 120 Millionen Bleistifte weltweit an Kunden verteilt.

BoKlok AB

Seit 1997 dringt IKEA mit dieser Marktmacht in ein neues Segment vor. Ein neues Produkt mit dem Markennamen BoKlok – übersetzt smart Wohnen – wurde eingeführt. Es handelt sich hierbei um Fertighäuser, die in den Folgejahren neben Schweden auch nach Dänemark, Finnland und Norwegen exportiert wurden. Im Jahr 2007 wurden die ersten BoKlok Fertighäuser auch in England gebaut. Ab April 2010 wird sich IKEA, unter großem Medieninteresse, auch in Deutschland in diesem Geschäftsbereich ausbreiten.

Die in Malmö sitzende BoKlok AB ist Inhaber des Patents und vergibt Lizenzrechte für die unter dem Namen BoKlok veräußerten Fertighäuser. Es handelt sich um ein Joint Venture von Ikea und der schwedischen Baufirma Skanska, welche diese Häuser entwickelt hat. In jedem Land wird ein anderer Lizenznehmer gesucht, der als Partner für die Herstellung der Häuser, die Suche nach geeigneten Standorten und der Vermarktung vor Ort zuständig ist. Lizenznehmer in Deutschland wird die Bien-Zenker AG sein.

Doch was bedeutet das für die deutsche Baubranche und die deutschen Architekten?

Zu Beginn der 60er-Jahre sah sich die schwedische Möbelindustrie durch die niedrigen Preise von IKEA bedroht. Sie rief zum Boykott von IKEA auf und so wurden Zulieferer gezwungen, IKEA nicht mehr zu beliefern. Das Unternehmen löste diese Krise dadurch, dass sie ihre Möbel fortan in Polen produzieren ließ. Wohl bemerkt befinden wir uns zu diesem Zeitpunkt im tiefsten Kalten Krieg. Durch die Produktion in Polen konnten die Preise von Ikea nochmals gedrückt werden und letztendlich war dieser Boykott mittelbar dafür verantwortlich, das Ikea über die Landesgrenzen hinweg nach Norwegen expandierte.

Hieran sieht man, dass IKEA die im Laufe ihrer Geschichte vorhandenen Krisen kompromisslos überwunden hat und selbst die Möbelindustrie eines ganzen Landes keine Kraft hat, sich dem, damals noch „kleinen“, Konzern in den Weg zu stellen. IKEA ist heute um ein Vielfaches größer und mächtiger.

Eh man auf die Auswirkungen auf die Brau Branche eingeht, sollte man sich die smarten Wohnung zunächst einmal genauer ansehen.

Das Prinzip

Die BoKlok Fertighäuser sind industriell vorgefertigte Häuser in Holzrahmenbauweise. Anders bei den Produkten aus dem Möbelbereich entfällt bei den Häusern die Eigenleistung des Käufers und die Häuser werden bezugsfertig verkauft. Die Häuser haben einen standardisierten, offenen Grundriss, hohe, helle Räume, große Fenster und typischerweise eine private Grünflächen mit einem Apfelbaum. Ansprechen will das Unternehmen mit den Häusern, für die die Finanzierung gleich mit angeboten wird, Geringverdiener und Berufsanfänger. Aber auch für ältere Menschen und Familien scheinen die Häuser sehr attraktiv zu sein. Die Häuser werde unmöbliert verkauft, jedoch verzichtet IKEA nicht auf die Kundenbindung im Form von Gutscheinen. In Nordeuropa und Großbritannien sind mittlerweile ca. 4000 IKEA Fertighäuser verkauft und gebaut wurden.

Seit März 2010 kann man im hessischen Wallau das erste Musterhaus „IMMELN“ besichtigen. Das Musterhaus ist auf dem Parkplatz des Einrichtungshauses Donnerstag und Freitag von 16 bis 20 Uhr, sowie Samstags von 12 bis 20 Uhr für Interessierte und Neugierige geöffnet. Die Nachfrage nach den Häusern ist, und das nicht nur in Deutschland, so groß, dass das Los entscheiden wird, wer überhaupt eines der Häuser kaufen darf. Eine Situation von der andere Fertighaushersteller nur träumen können.

Zurzeit sind zwei deutsche Fertighaussiedlungen konkret geplant. Die eine wird „An den Eichen“ in Offenbach-Waldheim entstehen. Hier werden neun Reihenhäuser und zwölf Eigentumswohnungen gebaut. Neben diesem Projekt „An den Eichen“ entsteht noch eine weitere Siedlung „Auf den Erlen“ in Wiesbaden–Auringen.

In allen Siedlungen wird es zwei verschiedene Reihenhaustypen „FRYKEN“ und „IMMELN“ mit 84 bzw. 102 Quadratmetern geben. Diese beiden Reihenhäuser werden für rund 180.000 bzw. 240.000 Euro verkauft. Der genaue Kaufpreis ist von Siedlung zu Siedlung verschieden. In der Siedlung in Offenbach wird es zusätzlich Mehrfamilienhäuser mit 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen geben. Die kleine 50-qm-Wohnung wird rund 100.000 Euro kosten. Die 3-Zimmer-Variante mit 63 qm gibt es für rund 140.000 Euro und die große Wohnung wird rund 165.000 Euro für 75 qm kosten.

Offenbach-Waldheim

Hier der Lageplan der Siedlung „An den Eichen“. Es werden zwei Mehrfamilienhäuser mit je 6 Wohnungen entstehen. Unter den neun Reihenhäusern werden „nur“ zwei kleine Varianten vertreten sein.

Offenbach Lageplan
Offenbach Lageplan

Wiesbaden–Auringen

„Auf den Erlen“ werde neun Reihenhäuser in zwei Reihen entstehen. Es wird vier große und fünf kleine Häuser geben.

Wiesbaden Lageplan
Wiesbaden Lageplan

Insgesamt werden also 30 Familien in der ersten Phase bei IKEA ihr neues Zuhause finden.

Die Häuser

Energie und Umwelt

BoKlok Reihenhaus Strassenblick
BoKlok Reihenhaus Strassenblick

Alle IKEA Häuser werden in Holzrahmenbauweise gebaut. IKEA betont, dass die Holzrahmenbauweise weniger Energie bei der Erstellung als andere Bauweisen, wie z.B. mit Stahl oder Beton, benötigt. Ein Drittel der Energie soll so mit nachhaltig aus der deutschen Forstwirtschaft gewonnenen Material eingespart werden. Geheizt werden die Häuser über zentrale Blockheizkraftwerke die zusätzlich Strom produzieren. Nicht genutzte Energie soll in öffentliche Netz eingespeist werden. Hinzu kommt, dass die Wohnungen hohe Isolierwerte, eine moderne, industrialisierte Bauweise und ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung besitzen, so dass der Energieeffizienz Standard 70 eingehalten werden kann.

Das BoKlok Reihenhaus IMMELN

Mit 102 m² Wohnfläche bietet das Reihenhaus im Erdgeschoss einen offenen Wohn-/Essbereich mit Küche und einem Badezimmer. Im Obergeschoss befinden sich drei Schlafzimmer sowie ein weiteres Bad. Letztendlich ist das auch nur Reihenhaus-Standardware.

Grundrisse Immeln
Grundrisse Immeln

Das BoKlok Reihenhaus FRYKEN

Die kleinere 84 m² Variante hat ebenfalls ein offenen Wohn-/Essbereich mit Küche und ein Gäste-WC im Erdgeschoss. Es hat aber nur zwei Schlafzimmer und ein Bad im ersten Geschoss.

Grundrisse Fryken
Grundrisse Fryken

Typische Ikea-Ideen

Schlechtes Design kann man IKEA wahrlich nicht vorwerfen. Kleine, nette Ideen weisen die Häuser auf. So wird auf große Fenster und viel Licht Wert gelegt und über den Treppen befindet sich eine zusätzliche Lichtkuppel, die für Helligkeit in der Mitte des Hauses sorgt. Ebenso wurde an Stellplatz für Waschmaschine und Trockener und weitere Abstellmöglichkeiten innerhalb der Häuser gedacht. Alle Häusertypen, und sogar die Wohnungen, verfügen über einen Aufbewahrungsraum im Freien der Platz für Gartengeräte, Fahrräder und andere größere Gegenstände bietet.

Die BoKlok Wohnungen

BoKlok Wohnungen
BoKlok Wohnungen

BoKlok Mehrfamilienhäuser bestehen aus zwei Etagen und umfassen jeweils zwei Zweizimmerwohnungen, zwei Dreizimmerwohnung und zwei Vierzimmerwohnungen. Alle Einheiten haben einen offenen Wohnbereich aus Küche und Wohnzimmer, sowie ein Badezimmer in dem auch Platz für Waschmaschine und einen Trockener vorgesehen ist. Sie verfügen ebenfalls über große Fenster in drei Himmelsrichtungen, so das jeder Raum hell und freundlich gestaltet ist. Alle Schlafzimmer sollen viel Platz und Staufläche bieten.

Grundrisse BoKlock Wohnungen
Grundrisse BoKlock Wohnungen

Das Gesamtpaket

IKEA würde Potenzial verschenken, wenn es nicht die Querverbindungen zu seinen Einrichtungshaus nützen würde. So erhalten die Käufer neben der Finanzierung für Grundstück und Haus auf Wunsch auch eine Finanzierung für Einrichtungspakete. Außerdem bekommen die Käufer zu den Häusern einen Einrichtungsgutschein zwischen 300 und 1000 Euro, zwei Arbeitsstunden eines Handwerkers zur Unterstützung beim Einzug und ein Seminar zum Thema Inneneinrichtung. Kundenbindung in diesem Maße wird den Einrichtungshäusern hohe Umsätze bringen.

Auswirkungen auf Architekten in Deutschland

Jetzt aber zurück zu der Frage, welche Auswirkungen die IKEA Fertighäuser auf das Geschäft der Architekten in Deutschland hat. Zweifelslos wird IKEA den Markt der Fertighäuser in Deutschland deutlich beeinflussen. Das Echo in den Medien ist jetzt schon gewaltig, wenn auch nicht immer positiv. Einige Gemeinden wehren sich gegen die IKEA Siedlungen, hauptsächlich wohl, weil sie das örtliche Handwerk schützen wollen. Dennoch werden diese Siedlung nicht vermeidbar sein. Neben Offenbach und Wiesbaden gibt es auch schon Planungen für Reihenhäuser in Hofheim, dem Sitz von Ikea Deutschland, und Nürnberg. Zum Stand März 2010 gibt es für andere Bundesländer, außer Bayern und Hessen, jedoch noch keine konkreten Planung. Es ist aber davon auszugehen, dass sich dieses in den nächsten Monaten ändern wird.

Die zentrale Frage wird sein, ob potenzielle Kunden von Architekten durch IKEA abgeworben werden können. Ich denke, das dieses nicht geschehen wird. Dennoch werden die Auswirkungen auf die Fertighausindustrie in Deutschland früher oder später spürbar sein. Wir Architekten sollten BoKlok als Chance zu nutzen. Das Thema wird in den nächsten Wochen und Monaten noch viel in den Medien diskutiert werden und somit werden viele Familien nochmals oder auch erstmals über den Bau oder Kauf eines Hauses nachdenken. Die Situation ist vergleichbar mit der Einführung der Volksaktie der Telekom. Natürlich haben damals sehr vieler Menschen plötzlich, und ohne Erfahrungen, Telekom-Aktien gekauft. Gleichzeitig wurde aber auch Interesse am Aktienmarkt in Allgemeinen geweckt und andere Produkte konnten ebenfalls von diesem Boom profitieren. Mit geschicktem Marketing und der richtigen Ansprache für die entsprechenden Zielgruppen kann man hier sicherlich profitieren. So können Architekten preislich ähnliche Produkte anbieten, die aber individueller und anspruchsvoller umgesetzt sind.
Frei nach dem Motto: jeder fängt mal mit einem Billy-Regal an, aber früher oder später sehnt man sich nach individuellen Regalen abseits des Main-Streams.

Ich werde die Entwicklung der IKEA Fertighäuser in Deutschland weiter verfolgen und hierüber bei Archimag zu gegebener Zeit berichten. Ich hoffe das euch dieser etwas andere Artikel im Rahmen von Archimag gefallen hat und würde mich über eure Meinung zu den Fertighäusern von IKEA sehr freuen. Haltet ihr es für eine Chance oder eine Gefahr? Außerdem würde ich mich zu gerne mal mit einer Familie unterhalten, die ein solches Haus besitzt. Wenn also jemand das liest, meldet euch beim mir.


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1 Kommentar Neues Kommentar hinzufügen

  1. Martha sagt:

    Nun baut Ikea auch schon Fertighäuser! Dieser Konzern wird irgendwann einmal wahrscheinlich für die Hälfte der Wohnungen und Häuser auf der Welt verantwortlich sein und eingerichtet haben. Das Konzept der Häuser erscheint mir aber doch recht ausgefeilt. Es wird wie immer auf Energie und Umwelt geachtet und das Außendesign ist auch typisch Ikea. Ich warte schon darauf, solch ein Exemplar in der Nähe Berlins besichtigen zu können.

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